Ein weisses Sternenhemd ver-
brennt die tragenden Schultern und Gottes Geier zer-
fleischen dein metallenes Herz.
brennt die tragenden Schultern und Gottes Geier zer-
fleischen dein metallenes Herz.
Trakl - Dichtungen
Langsam reift die Traube, das Korn.
Wenn sich stille der Tag neigt,
Ist ein Gutes und Bo? ses bereitet.
Wenn es Nacht wird,
Hebt der Wanderer leise die schweren Lider;
Sonne aus finsterer Schlucht bricht.
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? PASSION
Wenn Orpheus silbern die Laute ru? hrt,
Beklagend ein Totes im Abendgarten,
Wer bist du Ruhendes unter hohen Ba? umen?
Es rauscht die Klage das herbstliche Rohr,
Der blaue Teich,
Hinsterbend unter gru? nenden Ba? umen
Und folgend dem Schatten der Schwester;
Dunkle Liebe
Eines wilden Geschlechts,
Dem auf goldenen Ra? dern der Tag davonrauscht.
Stille Nacht.
Unter finsteren Tannen
Mischten zwei Wo? lfe ihr Blut
In steinerner Umarmung; ein Goldnes
Verlor sich die Wolke u? ber dem Steg,
Geduld und Schweigen der Kindheit.
Wieder begegnet der zarte Leichnam
Am Tritonsteich
Schlummernd in seinem hyazinthenen Haar.
Dass endlich zerbra? che das ku? hle Haupt!
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? Denn immer folgt, ein blaues Wild,
Ein A? ugendes unter da? mmernden Ba? umen,
Dieser dunkleren Pfaden
Wachend und bewegt von na? chtigem Wohllaut,
Sanftem Wahnsinn;
Oder es to? nte dunkler Verzu? ckung
Voll das Saitenspiel
Zu den ku? hlen Fu? ssen der Bu? sserin
In der steinernen Stadt.
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? FO? HN
Blinde Klage im Wind, mondene Wintertage,
Kindheit, leise verhallen die Schritte an schwarzer Hecke,
Langes Abendgela? ut.
Leise kommt die weisse Nacht gezogen,
Verwandelt in purpurne Tra? ume Schmerz und Plage
Des steinigen Lebens,
Dass nimmer der dornige Stachel ablasse vom ver-
wesenden Leib.
Tief im Schlummer aufseufzt die bange Seele,
Tief der Wind in zerbrochenen Ba? umen,
Und es schwankt die Klagegestalt
Der Mutter durch den einsamen Wald
Dieser schweigenden Trauer; Na? chte,
Erfu? llt von Tra? nen, feurigen Engeln.
Silbern zerschellt an kahler Mauer ein kindlich Gerippe.
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? FRU? HLING DER SEELE
Aufschrei im Schlaf; durch schwarze Gassen stu? rzt der
Wind, :! ? :. ? : , j, . . . :,,. -; ,,M . ? . ?
Das Blau des Fru? hlings winkt . durch brechendes Gea? st,
Purpurner Nachttau und es erlo? schen rings die Sterne.
Gru? nlich da? mmert der Fluss, silbern die alten Alleen
Und die Tu? rme der Stadt. 0 sanfte Trunkenheit
Im gleitenden Kahn und die dunklen Rufe der Amsel
In kindlichen Ga? rten. Schon lichtet sich der rosige Flor.
Feierlich rauschen die Wasser. , 0 die feuchten Schatten
der Au, ';;. ? . . i
Das schreitende Tier; Gru? nendes, Blu? tengezweig
Ru? hrt die kristallene Stirne; schimmernder Schaukel-
kahn. ; . . ? ;. '
Leise to? nt die Sonne im Rosengewo? lk am Hu? gel.
Gross ist die Stille des Tannenwalds, die ernsten Schatten
am Fluss, , i i ,! ,'? ? . n
Reinheit! Reinheit! Wo sind die furchtbaren Pfade
des Todes,
Des grauen steinernen Schweigens, die Felsen der Nacht
Und die friedlosen Schatten? Strahlender Sonnen-
abgrund.
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? Schwester, da ich dich fand an einsanier Lichtung
Des Waldes und Mittag war und gross das Schweigen
des Tiers;
Weisse unter wilder Eiche, und es blu? hte silbern der Dorn.
Gewaltiges Sterben und die singende Flamme im Herzen.
?
Dunkler umfliessen die Wasser die scho? nen Spiele der
Fische.
Stunde der Trauer, schweigender Anblick der Sonne;
Es ist die Seele ein Fremdes auf Erden. Geistlich
da? mmert
Bla? ue u? ber dem verhauenen Wald und es la? utet
Lange eine dunkle Glocke im Dorf; friedlich Geleit.
Stille blu? ht die Myrthe u? ber den weissen Lidern des Toten.
Leise to? nen die Wasser im sinkenden Nachmittag
Und es gru? net dunkler die Wildnis am Ufer, Freude im
rosigen Wind;
Der sanfte Gesang des Bruders am Abendhu? gel.
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? IM DUNKEL
Es schweigt die Seele den blauen Fru? hling.
Unter feuchtem Abendgezweig
Sank in Schauern die Stirhe den Liebenden.
0 das gru? nende Kreuz. In dunklem Gespra? ch
Erkannten sich Mann und Weib.
An kahler Mauer
Wandelt mit seinen Gestirnen der Einsame.
U? ber die mondbegla? nzten Wege des Walds
Sank die Wildnis
Vergessener Jagden; Blick der Bla? ue
Aus verfallenen Felsen bricht.
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? WINTERNACHT
. ^
Es ist Schnee gefallen. Nach Mitternacht verla? sst
du betrunken von purpurnem Wein den dunklen Be-
zirk der Menschen, die rote Flamme ihres Herdes.
0 die Finsternis!
Schwarzer Frost. Die Erde ist hart, nach Bitterem
schmeckt die Luft. Deine Sterne schliessen sich zu
bo? sen Zeichen.
Mit versteinerten Schritten stampfst du am Bahn-
damm hin, mit runden Augen, wie ein Soldat, der eine
schwarze Schanze stu? rmt. Avanti!
Bitterer Schnee und Mond!
Ein roter Wolf, den ein Engel wu? rgt. Deine Beine
klirren schreitend wie blaues Eis und ein La? cheln voll
Trauer und Hochmut hat dein Antlitz versteinert und
die Stirne erbleicht vor der Wollust des Frostes;
oder sie neigt sich schweigend u? ber den Schlaf eines
Wa? chters, der in seiner ho? lzernen Hu? tte hinsank.
Frost und Rauch.
Ein weisses Sternenhemd ver-
brennt die tragenden Schultern und Gottes Geier zer-
fleischen dein metallenes Herz.
0 der steinerne Hu? gel. Stille schmilzt und vergessen
der ku? hle Leib im silbernen Schnee hin.
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? Schwarz ist der Schlaf. Das Ohr folgt lange den
Pfaden der Sterne im Eis.
Beim Erwachen klangen die Glocken im Dorf. Aus
dem o? stlichen Tor trat silbern der rosige Tag.
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? DRITTER TEIL
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? TRAUM UND UMNACHTUNG
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? ? ? Generated for (University of Chicago) on 2014-12-16 02:37 GMT / http://hdl. handle. net/2027/inu. 32000007258199 Public Domain in the United States, Google-digitized / http://www. hathitrust. org/access_use#pd-us-google
? A na Abend ward zum Greis der Vater; in dunklen
Zimmern versteinerte das Antlitz der Mutter und
auf dem Knaben lastete der Fluch des entarteten Ge-
schlechts. Manchmal erinnerte er sich seiner Kindheit,
erfu? llt von Krankheit, Schrecken und Finsternis, ver-
schwiegener Spiele im Sternengarten, oder dass er die
Ratten fu? tterte im da? mmernden Hof. Aus blauem
Spiegel trat die schmale Gestalt der Schwester und er
stu? rzte wie tot ins Dunkel. Nachts brach sein Mund
gleich einer roten Frucht auf und die Sterne ergla? nzten
u? ber seiner sprachlosen Trauer. Seine Tra? ume erfu? llten
das alte Haus der Va? ter. Am Abend ging er gerne u? ber
den verfallenen Friedhof, oder er besah in da? mmernder
Totenkammer die Leichen, die gru? nen Flecken der Ver-
wesung auf ihren scho? nen Ha? nden. An der Pforte des
Klosters bat er um ein Stu? ck Brot; der Schatten eines
Rappen sprang aus dem Dunkel und erschreckte ihn.
Wenn er in seinem ku? hlen Bette lag, u? berkamen ihn
unsa? gliche Tra? nen. Aber es war niemand, der die Hand
auf seine Stirne gelegt ha? tte. Wenn der Herbst kam,
ging er, ein Hellseher, in brauner Au. 0, die Stunden
wilder Verzu? ckung, die Abende am gru? nen Fluss, die
Jagden. 0, die Seele, die leise das Lied des vergilbten
Rohrs sang; feurige Fro? mmigkeit. Stille sah er und
lang in die Sternenaugen der Kro? te, befu? hlte mit er-
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? schauernden Ha? nden die Ku? hle des alten Steins und
besprach die ehrwu? rdige Sage des blauen Quells. O,
die silbernen Fische und die Fru? chte, die von ver-
kru? ppelten Ba? umen fielen. Die Akkorde seiner Schritte
erfu? llten ihn mit Stolz und Menschenverachtung. Am
Heimweg traf er ein unbewohntes Schloss. Verfallene
Go? tter standen im Garten, hintrauernd am Abend. Ihm
aber schien: hier lebte ich vergessene Jahre. Ein Orgel-
choral erfu? llte ihn mit Gottes Schauern. Aber in
dunkler Ho? hle verbrachte er seine Tage, log und stahl
und verbarg sich, ein flammender Wolf, vor dem weissen
Antlitz der Mutter. 0, die Stunde, da er mit steinernem
Munde im Sternengarten hinsank, der Schatten des
Mo? rders u? ber ihn kam. Mit purpurner Stirne ging er
ins Moor und Gottes Zorn zu? chtigte seine metallenen
Schultern; o, die Birken im Sturm, das dunkle Getier,
das seine umnachteten Pfade mied. Hass verbrannte
sein Herz, Wollust, da er im gru? nenden Sommergarten
dem schweigenden Kind Gewalt tat, in dem strahlenden
sein umnachtetes Antlitz erkannte. Weh, des Abends
am Fenster, da aus purpurnen Blumen, ein gra? ulich
Gerippe, der Tod trat. 0, ihr Tu? rme und Glocken;
und die Schatten der Nacht fielen steinern auf ihn.
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? Nemand liebte ihn. Sein Haupt verbrannte Lu? ge
und Unzucht in da? mmernden Zimmern. Das blaue
Rauschen eines Frauengewandes liess ihn zur Sa? ule er-
starren und in der Tu? r stand die na? chtige Gestalt seiner
Mutter. Zu seinen Ha? upten erhob sich der Schatten
des Bo? sen. 0, ihr Na? chte und Sterne. Am Abend ging
er mit dem Kru? ppel am Berge hin; auf eisigem Gipfel
lag der rosige Glanz der Abendro? te und sein Herz
la? utete leise in der Da? mmerung. Schwer sanken die
stu? rmischen Tannen u? ber sie und der rote Ja? ger trat
aus; dem Wald. Da es Nacht ward, zerbrach kristallen
sein Herz und die Finsternis schlug seine Stirne. Unter
kahlen Eichba? umen erwu? rgte er mit eisigen Ha? nden
eine wilde Katze. Klagend zur Rechten erschien die
weisse Gestalt eines Engels, und es wuchs im Dunkel
der Schatten des Kru? ppels. Er aber hob einen Stein
und warf ihn nach jenem, dass er heulend floh, und
seufzend verging im Schatten des Baums das sanfte
,Antlitz des Engels. Lange lag er auf steinigem Acker
? und sah staunend das goldene Zelt l der Sterne. Von
Flederma? usen gejagt, stu? rzte er fort ins Dunkel. Atem-
los trat er ins verfallene Haus. Im Hof trank er, ein
wildes Tier, von den blauen Wassern des Brunnens, bis
ihn fror. Fiebernd sass er auf der eisigen Stiege, rasend
gen Gott, dass er stu? rbe. O, das graue Antlitz des
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? Schreckens, da er die runden Augen u? ber einer Taube
zerschnittener Kehle aufhob. Huschend u? ber fremde
Stiegen begegnete er einem Judenma? dchen und er griff
nach ihrem schwarzen Haar und er nahm ihren Mund.
Feindliches folgte ihm durch finstere Gassen und sein
Ohr zerriss ein eisernes Klirren.