Lege dich zu des
Meisters
Fussen!
Goethe - Faust- Der Tragödie erster Teil
Faust und Wagner.
FAUST:
Vom Eise befreit sind Strom und Bache
Durch des Fruhlings holden, belebenden Blick;
Im Tale grunet Hoffnungsgluck;
Der alte Winter, in seiner Schwache,
Zog sich in rauhe Berge zuruck.
Von dorther sendet er, fliehend, nur
Ohnmachtige Schauer kornigen Eises
In Streifen uber die grunende Flur;
Aber die Sonne duldet kein Weisses,
Uberall regt sich Bildung und Streben,
Alles will sie mit Farben beleben;
Doch an Blumen fehlt's im Revier
Sie nimmt geputzte Menschen dafur.
Kehre dich um, von diesen Hohen
Nach der Stadt zuruckzusehen.
Aus dem hohlen finstern Tor
Dringt ein buntes Gewimmel hervor.
Jeder sonnt sich heute so gern.
Sie feiern die Auferstehung des Herrn,
Denn sie sind selber auferstanden,
Aus niedriger Hauser dumpfen Gemachern,
Aus Handwerks- und Gewerbesbanden,
Aus dem Druck von Giebeln und Dachern,
Aus der Strassen quetschender Enge,
Aus der Kirchen ehrwurdiger Nacht
Sind sie alle ans Licht gebracht.
Sieh nur, sieh! wie behend sich die Menge
Durch die Garten und Felder zerschlagt,
Wie der Fluss, in Breit und Lange
So manchen lustigen Nachen bewegt,
Und bis zum Sinken uberladen
Entfernt sich dieser letzte Kahn.
Selbst von des Berges fernen Pfaden
Blinken uns farbige Kleider an.
Ich hore schon des Dorfs Getummel,
Hier ist des Volkes wahrer Himmel,
Zufrieden jauchzet gross und klein:
Hier bin ich Mensch, hier darf ich's sein!
WAGNER:
Mit Euch, Herr Doktor, zu spazieren
Ist ehrenvoll und ist Gewinn;
Doch wurd ich nicht allein mich her verlieren,
Weil ich ein Feind von allem Rohen bin.
Das Fiedeln, Schreien, Kegelschieben
Ist mir ein gar verhasster Klang;
Sie toben wie vom bosen Geist getrieben
Und nennen's Freude. nennen's Gesang.
Bauern unter der Linde. Tanz und Gesang.
Der Schafer putzte sich zum Tanz,
Mit bunter Jacke, Band und Kranz,
Schmuck war er angezogen.
Schon um die Linde war es voll,
Und alles tanzte schon wie toll.
Juchhe! Juchhe!
Juchheisa! Heisa! He!
So ging der Fiedelbogen.
Er druckte hastig sich heran,
Da stiess er an ein Madchen an
Mit seinem Ellenbogen;
Die frische Dirne kehrt, sich um
Und sagte: Nun, das find ich dumm!
Juchhe! Juchhe!
Juchheisa! Heisa! He!
Seid nicht so ungezogen!
Doch hurtig in dem Kreise ging's,
Sie tanzten rechts, sie tanzten links,
Und alle Rocke flogen.
Sie wurden rot, sie wurden warm
Und ruhten atmend Arm in Arm,
Juchhe! Juchhe!
Juchheisa! Heisa! He!
Und Huft an Ellenbogen.
Und tu mir doch nicht so vertraut!
Wie mancher hat nicht seine Braut
Belogen und betrogen!
Er schmeichelte sie doch bei Seit,
Und von der Linde scholl es weit:
Juchhe! Juchhe!
Juchheisa! Heisa! He!
Geschrei und Fiedelbogen.
ALTER BAUER:
Herr Doktor, das ist schon von Euch,
Dass Ihr uns heute nicht verschmaht,
Und unter dieses Volksgedrang,
Als ein so Hochgelahrter, geht.
So nehmet auch den schonsten Krug,
Den wir mit frischem Trunk gefullt,
Ich bring ihn zu und wunsche laut,
Dass er nicht nur den Durst Euch stillt:
Die Zahl der Tropfen, die er hegt,
Sei Euren Tagen zugelegt.
FAUST:
Ich nehme den Erquickungstrank
Erwidr' euch allen Heil und Dank.
(Das Volk sammelt sich im Kreis umher. )
ALTER BAUER:
Furwahr, es ist sehr wohl getan,
Dass Ihr am frohen Tag erscheint;
Habt Ihr es vormals doch mit uns
An bosen Tagen gut gemeint!
Gar mancher steht lebendig hier
Den Euer Vater noch zuletzt
Der heissen Fieberwut entriss,
Als er der Seuche Ziel gesetzt.
Auch damals Ihr, ein junger Mann,
Ihr gingt in jedes Krankenhaus,
Gar manche Leiche trug man fort,
Ihr aber kamt gesund heraus,
Bestandet manche harte Proben;
Dem Helfer half der Helfer droben.
ALLE:
Gesundheit dem bewahrten Mann,
Dass er noch lange helfen kann!
FAUST:
Vor jenem droben steht gebuckt,
Der helfen lehrt und Hulfe schickt.
(Er geht mit Wagnern weiter. )
WAGNER:
Welch ein Gefuhl musst du, o grosser Mann,
Bei der Verehrung dieser Menge haben!
O glucklich, wer von seinen Gaben
Solch einen Vorteil ziehen kann!
Der Vater zeigt dich seinem Knaben,
Ein jeder fragt und drangt und eilt,
Die Fiedel stockt, der Tanzer weilt.
Du gehst, in Reihen stehen sie,
Die Mutzen fliegen in die Hoh;
Und wenig fehlt, so beugten sich die Knie,
Als kam das Venerabile.
FAUST:
Nur wenig Schritte noch hinauf zu jenem Stein,
Hier wollen wir von unsrer Wandrung rasten.
Hier sass ich oft gedankenvoll allein
Und qualte mich mit Beten und mit Fasten.
An Hoffnung reich, im Glauben fest,
Mit Tranen, Seufzen, Handeringen
Dacht ich das Ende jener Pest
Vom Herrn des Himmels zu erzwingen.
Der Menge Beifall tont mir nun wie Hohn.
O konntest du in meinem Innern lesen,
Wie wenig Vater und Sohn
Solch eines Ruhmes wert gewesen!
Mein Vater war ein dunkler Ehrenmann,
Der uber die Natur und ihre heil'gen Kreise
In Redlichkeit, jedoch auf seine Weise,
Mit grillenhafter Muhe sann;
Der, in Gesellschaft von Adepten,
Sich in die schwarze Kuche schloss,
Und, nach unendlichen Rezepten,
Das Widrige zusammengoss.
Da ward ein roter Leu, ein kuhner Freier,
Im lauen Bad der Lilie vermahlt,
Und beide dann mit offnem Flammenfeuer
Aus einem Brautgemach ins andere gequalt.
Erschien darauf mit bunten Farben
Die junge Konigin im Glas,
Hier war die Arzenei, die Patienten starben,
Und niemand fragte: wer genas?
So haben wir mit hollischen Latwergen
In diesen Talern, diesen Bergen
Weit schlimmer als die Pest getobt.
Ich habe selbst den Gift an Tausende gegeben:
Sie welkten hin, ich muss erleben,
Dass man die frechen Morder lobt.
WAGNER:
Wie konnt Ihr Euch darum betruben!
Tut nicht ein braver Mann genug,
Die Kunst, die man ihm ubertrug,
Gewissenhaft und punktlich auszuuben?
Wenn du als Jungling deinen Vater ehrst,
So wirst du gern von ihm empfangen;
Wenn du als Mann die Wissenschaft vermehrst,
So kann dein Sohn zu hohrem Ziel gelangen.
FAUST:
O glucklich, wer noch hoffen kann,
Aus diesem Meer des Irrtums aufzutauchen!
Was man nicht weiss, das eben brauchte man,
Und was man weiss, kann man nicht brauchen.
Doch lass uns dieser Stunde schones Gut
Durch solchen Trubsinn nicht verkummern!
Betrachte, wie in Abendsonne-Glut
Die grunumgebnen Hutten schimmern.
Sie ruckt und weicht, der Tag ist uberlebt,
Dort eilt sie hin und fordert neues Leben.
O dass kein Flugel mich vom Boden hebt
Ihr nach und immer nach zu streben!
Ich sah im ewigen Abendstrahl
Die stille Welt zu meinen Fussen,
Entzundet alle Hohn beruhigt jedes Tal,
Den Silberbach in goldne Strome fliessen.
Nicht hemmte dann den gottergleichen Lauf
Der wilde Berg mit allen seinen Schluchten;
Schon tut das Meer sich mit erwarmten Buchten
Vor den erstaunten Augen auf.
Doch scheint die Gottin endlich wegzusinken;
Allein der neue Trieb erwacht,
Ich eile fort, ihr ew'ges Licht zu trinken,
Vor mir den Tag und hinter mir die Nacht,
Den Himmel uber mir und unter mir die Wellen.
Ein schoner Traum, indessen sie entweicht.
Ach! zu des Geistes Flugeln wird so leicht
Kein korperlicher Flugel sich gesellen.
Doch ist es jedem eingeboren
Dass sein Gefuhl hinauf und vorwarts dringt,
Wenn uber uns, im blauen Raum verloren,
Ihr schmetternd Lied die Lerche singt;
Wenn uber schroffen Fichtenhohen
Der Adler ausgebreitet schwebt,
Und uber Flachen, uber Seen
Der Kranich nach der Heimat strebt.
WAGNER:
Ich hatte selbst oft grillenhafte Stunden,
Doch solchen Trieb hab ich noch nie empfunden.
Man sieht sich leicht an Wald und Feldern satt;
Des Vogels Fittich werd ich nie beneiden.
Wie anders tragen uns die Geistesfreuden
Von Buch zu Buch, von Blatt zu Blatt!
Da werden Winternachte hold und schon
Ein selig Leben warmet alle Glieder,
Und ach! entrollst du gar ein wurdig Pergamen,
So steigt der ganze Himmel zu dir nieder.
FAUST:
Du bist dir nur des einen Triebs bewusst,
O lerne nie den andern kennen!
Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust,
Die eine will sich von der andern trennen;
Die eine halt, in derber Liebeslust,
Sich an die Welt mit klammernden Organen;
Die andre hebt gewaltsam sich vom Dust
Zu den Gefilden hoher Ahnen.
O gibt es Geister in der Luft,
Die zwischen Erd und Himmel herrschend weben
So steiget nieder aus dem goldnen Duft
Und fuhrt mich weg zu neuem, buntem Leben!
Ja, ware nur ein Zaubermantel mein,
Und trug er mich in fremde Lander!
Mir sollt er um die kostlichsten Gewander,
Nicht feil um einen Konigsmantel sein.
WAGNER:
Berufe nicht die wohlbekannte Schar,
Die stromend sich im Dunstkreis uberbreitet,
Dem Menschen tausendfaltige Gefahr,
Von allen Enden her, bereitet.
Von Norden dringt der scharfe Geisterzahn
Auf dich herbei, mit pfeilgespitzten Zungen;
Von Morgen ziehn, vertrocknend, sie heran,
Und nahren sich von deinen Lungen;
Wenn sie der Mittag aus der Wuste schickt,
Die Glut auf Glut um deinen Scheitel haufen
So bringt der West den Schwarm, der erst erquickt,
Um dich und Feld und Aue zu ersaufen.
Sie horen gern, zum Schaden froh gewandt,
Gehorchen gern, weil sie uns gern betrugen;
Sie stellen wie vom Himmel sich gesandt,
Und lispeln englisch, wenn sie lugen.
Doch gehen wir! Ergraut ist schon die Welt,
Die Luft gekuhlt, der Nebel fallt!
Am Abend schatzt man erst das Haus. -
Was stehst du so und blickst erstaunt hinaus?
Was kann dich in der Dammrung so ergreifen?
FAUST:
Siehst du den schwarzen Hund durch Saat und Stoppel streifen?
WAGNER:
Ich sah ihn lange schon, nicht wichtig schien er mir.
FAUST:
Betracht ihn recht! fur was haltst du das Tier?
WAGNER:
Fur einen Pudel, der auf seine Weise
Sich auf der Spur des Herren plagt.
FAUST:
Bemerkst du, wie in weitem Schneckenkreise
Er um uns her und immer naher jagt?
Und irr ich nicht, so zieht ein Feuerstrudel
Auf seinen Pfaden hinterdrein.
WAGNER:
Ich sehe nichts als einen schwarzen Pudel;
Es mag bei Euch wohl Augentauschung sein.
FAUST:
Mir scheint es, dass er magisch leise Schlingen
Zu kunft'gem Band um unsre Fusse zieht.
WAGNER:
Ich seh ihn ungewiss und furchtsam uns umspringen,
Weil er, statt seines Herrn, zwei Unbekannte sieht.
FAUST:
Der Kreis wird eng, schon ist er nah!
WAGNER:
Du siehst! ein Hund, und kein Gespenst ist da.
Er knurrt und zweifelt, legt sich auf den Bauch,
Er wedelt. Alles Hundebrauch.
FAUST:
Geselle dich zu uns! Komm hier!
WAGNER:
Es ist ein pudelnarrisch Tier.
Du stehest still, er wartet auf;
Du sprichst ihn an, er strebt an dir hinauf;
Verliere was, er wird es bringen,
Nach deinem Stock ins Wasser springen.
FAUST:
Du hast wohl recht; ich finde nicht die Spur
Von einem Geist, und alles ist Dressur.
WAGNER:
Dem Hunde, wenn er gut gezogen,
Wird selbst ein weiser Mann gewogen.
Ja, deine Gunst verdient er ganz und gar,
Er, der Studenten trefflicher Skolar.
(Sie gehen in das Stadttor. )
Studierzimmer
Faust mit dem Pudel hereintretend.
FAUST:
Verlassen hab ich Feld und Auen,
Die eine tiefe Nacht bedeckt,
Mit ahnungsvollem, heil'gem Grauen
In uns die bessre Seele weckt.
Entschlafen sind nun wilde Triebe
Mit jedem ungestumen Tun;
Es reget sich die Menschenliebe,
Die Liebe Gottes regt sich nun. Sei ruhig, Pudel! renne nicht hin und
wider!
An der Schwelle was schnoperst du hier?
Lege dich hinter den Ofen nieder,
Mein bestes Kissen geb ich dir.
Wie du draussen auf dem bergigen Wege
Durch Rennen und Springen ergetzt uns hast,
So nimm nun auch von mir die Pflege,
Als ein willkommner stiller Gast. Ach wenn in unsrer engen Zelle
Die Lampe freundlich wieder brennt,
Dann wird's in unserm Busen helle,
Im Herzen, das sich selber kennt.
Vernunft fangt wieder an zu sprechen,
Und Hoffnung wieder an zu bluhn,
Man sehnt sich nach des Lebens Bachen,
Ach! nach des Lebens Quelle hin. Knurre nicht, Pudel! Zu den heiligen
Tonen,
Die jetzt meine ganze Seel umfassen,
Will der tierische Laut nicht passen.
Wir sind gewohnt, dass die Menschen verhohnen,
Was sie nicht verstehn,
Dass sie vor dem Guten und Schonen,
Das ihnen oft beschwerlich ist, murren;
Will es der Hund, wie sie, beknurren?
Aber ach! schon fuhl ich, bei dem besten Willen,
Befriedigung nicht mehr aus dem Busen quillen.
Aber warum muss der Strom so bald versiegen,
Und wir wieder im Durste liegen?
Davon hab ich so viel Erfahrung.
Doch dieser Mangel lasst sich ersetzen,
Wir lernen das Uberirdische schatzen,
Wir sehnen uns nach Offenbarung,
Die nirgends wurd'ger und schoner brennt
Als in dem Neuen Testament.
Mich drangt's, den Grundtext aufzuschlagen,
Mit redlichem Gefuhl einmal
Das heilige Original
In mein geliebtes Deutsch zu ubertragen,
(Er schlagt ein Volum auf und schickt sich an. )
Geschrieben steht: "Im Anfang war das Wort! "
Hier stock ich schon! Wer hilft mir weiter fort?
Ich kann das Wort so hoch unmoglich schatzen,
Ich muss es anders ubersetzen,
Wenn ich vom Geiste recht erleuchtet bin.
Geschrieben steht: Im Anfang war der Sinn.
Bedenke wohl die erste Zeile,
Dass deine Feder sich nicht ubereile!
Ist es der Sinn, der alles wirkt und schafft?
Es sollte stehn: Im Anfang war die Kraft!
Doch, auch indem ich dieses niederschreibe,
Schon warnt mich was, dass ich dabei nicht bleibe.
Mir hilft der Geist! Auf einmal seh ich Rat
Und schreibe getrost: Im Anfang war die Tat!
Soll ich mit dir das Zimmer teilen,
Pudel, so lass das Heulen,
So lass das Bellen!
Solch einen storenden Gesellen
Mag ich nicht in der Nahe leiden.
Einer von uns beiden
Muss die Zelle meiden.
Ungern heb ich das Gastrecht auf,
Die Tur ist offen, hast freien Lauf.
Aber was muss ich sehen!
Kann das naturlich geschehen?
Ist es Schatten? ist's Wirklichkeit?
Wie wird mein Pudel lang und breit!
Er hebt sich mit Gewalt,
Das ist nicht eines Hundes Gestalt!
Welch ein Gespenst bracht ich ins Haus!
Schon sieht er wie ein Nilpferd aus,
Mit feurigen Augen, schrecklichem Gebiss.
Oh! du bist mir gewiss!
Fur solche halbe Hollenbrut
Ist Salomonis Schlussel gut.
GEISTER (auf dem Gange):
Drinnen gefangen ist einer!
Bleibet haussen, folg ihm keiner!
Wie im Eisen der Fuchs,
Zagt ein alter Hollenluchs.
Aber gebt acht!
Schwebet hin, schwebet wider,
Auf und nieder,
Und er hat sich losgemacht.
Konnt ihr ihm nutzen,
Lasst ihn nicht sitzen!
Denn er tat uns allen
Schon viel zu Gefallen.
FAUST:
Erst zu begegnen dem Tiere,
Brauch ich den Spruch der Viere: Salamander soll gluhen,
Undene sich winden,
Sylphe verschwinden,
Kobold sich muhen. Wer sie nicht kennte
Die Elemente,
Ihre Kraft
Und Eigenschaft,
Ware kein Meister
Uber die Geister. Verschwind in Flammen,
Salamander!
Rauschend fliesse zusammen,
Undene!
Leucht in Meteoren-Schone,
Sylphe!
Bring hausliche Hulfe,
Incubus! Incubus!
Tritt hervor und mache den Schluss! Keines der Viere
Steckt in dem Tiere.
Es liegt ganz ruhig und grinst mich an;
Ich hab ihm noch nicht weh getan.
Du sollst mich horen
Starker beschworen. Bist du, Geselle
Ein Fluchtling der Holle?
So sieh dies Zeichen
Dem sie sich beugen,
Die schwarzen Scharen! Schon schwillt es auf mit borstigen Haaren.
Verworfnes Wesen!
Kannst du ihn lesen?
Den nie Entsprossnen,
Unausgesprochnen,
Durch alle Himmel Gegossnen,
Freventlich Durchstochnen? Hinter den Ofen gebannt,
Schwillt es wie ein Elefant
Den ganzen Raum fullt es an,
Es will zum Nebel zerfliessen.
Steige nicht zur Decke hinan!
Lege dich zu des Meisters Fussen!
Du siehst, dass ich nicht vergebens drohe.
Ich versenge dich mit heiliger Lohe!
Erwarte nicht
Das dreimal gluhende Licht!
Erwarte nicht
Die starkste von meinen Kunsten!
(Mephistopheles tritt, indem der Nebel fallt, gekleidet wie ein
fahrender Scholastikus, hinter dem Ofen hervor. )
MEPHISTOPHELES:
Wozu der Larm? was steht dem Herrn zu Diensten?
FAUST:
Das also war des Pudels Kern!
Ein fahrender Skolast? Der Kasus macht mich lachen.
MEPHISTOPHELES:
Ich salutiere den gelehrten Herrn!
Ihr habt mich weidlich schwitzen machen.
FAUST:
Wie nennst du dich?
MEPHISTOPHELES:
Die Frage scheint mir klein Fur einen, der das Wort so sehr verachtet,
Der, weit entfernt von allem Schein,
Nur in der Wesen Tiefe trachtet.
FAUST:
Bei euch, ihr Herrn, kann man das Wesen
Gewohnlich aus dem Namen lesen,
Wo es sich allzu deutlich weist,
Wenn man euch Fliegengott, Verderber, Lugner heisst.
Nun gut, wer bist du denn?
MEPHISTOPHELES:
Ein Teil von jener Kraft, Die stets das Bose will und stets das Gute
schafft.
FAUST:
Was ist mit diesem Ratselwort gemeint?
MEPHISTOPHELES:
Ich bin der Geist, der stets verneint!
Und das mit Recht; denn alles, was entsteht,
Ist wert, dass es zugrunde geht;
Drum besser war's, dass nichts entstunde.
So ist denn alles, was ihr Sunde,
Zerstorung, kurz, das Bose nennt,
Mein eigentliches Element.
FAUST:
Du nennst dich einen Teil, und stehst doch ganz vor mir?
MEPHISTOPHELES:
Bescheidne Wahrheit sprech ich dir.
Wenn sich der Mensch, die kleine Narrenwelt
Gewohnlich fur ein Ganzes halt-
Ich bin ein Teil des Teils, der anfangs alles war
Ein Teil der Finsternis, die sich das Licht gebar
Das stolze Licht, das nun der Mutter Nacht
Den alten Rang, den Raum ihr streitig macht,
Und doch gelingt's ihm nicht, da es, so viel es strebt,
Verhaftet an den Korpern klebt.
Von Korpern stromt's, die Korper macht es schon,
Ein Korper hemmt's auf seinem Gange;
So, hoff ich, dauert es nicht lange,
Und mit den Korpern wird's zugrunde gehn.
FAUST:
Nun kenn ich deine wurd'gen Pflichten!
Du kannst im Grossen nichts vernichten
Und fangst es nun im Kleinen an.
MEPHISTOPHELES:
Und freilich ist nicht viel damit getan.
Was sich dem Nichts entgegenstellt,
Das Etwas, diese plumpe Welt
So viel als ich schon unternommen
Ich wusste nicht ihr beizukommen
Mit Wellen, Sturmen, Schutteln, Brand-
Geruhig bleibt am Ende Meer und Land!
Und dem verdammten Zeug, der Tier- und Menschenbrut,
Dem ist nun gar nichts anzuhaben:
Wie viele hab ich schon begraben!
Und immer zirkuliert ein neues, frisches Blut.
So geht es fort, man mochte rasend werden!
Der Luft, dem Wasser wie der Erden
Entwinden tausend Keime sich,
Im Trocknen, Feuchten, Warmen, Kalten!
Hatt ich mir nicht die Flamme vorbehalten,
Ich hatte nichts Aparts fur mich.
FAUST:
So setzest du der ewig regen,
Der heilsam schaffenden Gewalt
Die kalte Teufelsfaust entgegen,
Die sich vergebens tuckisch ballt!
Was anders suche zu beginnen
Des Chaos wunderlicher Sohn!
MEPHISTOPHELES:
Wir wollen wirklich uns besinnen,
Die nachsten Male mehr davon!
Durft ich wohl diesmal mich entfernen?
FAUST:
Ich sehe nicht, warum du fragst.
Ich habe jetzt dich kennen lernen
Besuche nun mich, wie du magst.
Hier ist das Fenster, hier die Ture,
Ein Rauchfang ist dir auch gewiss.
MEPHISTOPHELES:
Gesteh ich's nur! dass ich hinausspaziere,
Verbietet mir ein kleines Hindernis,
Der Drudenfuss auf Eurer Schwelle-
FAUST:
Das Pentagramma macht dir Pein?
Ei sage mir, du Sohn der Holle,
Wenn das dich bannt, wie kamst du denn herein?
Wie ward ein solcher Geist betrogen?
MEPHISTOPHELES:
Beschaut es recht! es ist nicht gut gezogen:
Der eine Winkel, der nach aussen zu,
Ist, wie du siehst, ein wenig offen.
FAUST:
Das hat der Zufall gut getroffen!
Und mein Gefangner warst denn du?
Das ist von ungefahr gelungen!
MEPHISTOPHELES:
Der Pudel merkte nichts, als er hereingesprungen,
Die Sache sieht jetzt anders aus:
Der Teufel kann nicht aus dem Haus.
FAUST:
Doch warum gehst du nicht durchs Fenster?
MEPHISTOPHELES:
's ist ein Gesetz der Teufel und Gespenster:
Wo sie hereingeschlupft, da mussen sie hinaus.
Das erste steht uns frei, beim zweiten sind wir Knechte.
FAUST:
Die Holle selbst hat ihre Rechte?
Das find ich gut, da liesse sich ein Pakt,
Und sicher wohl, mit euch, ihr Herren, schliessen?
MEPHISTOPHELES:
Was man verspricht, das sollst du rein geniessen,
Dir wird davon nichts abgezwackt.
Doch das ist nicht so kurz zu fassen,
Und wir besprechen das zunachst
Doch jetzo bitt ich, hoch und hochst,
Fur dieses Mal mich zu entlassen.
FAUST:
So bleibe doch noch einen Augenblick,
Um mir erst gute Mar zu sagen.
MEPHISTOPHELES:
Jetzt lass mich los! ich komme bald zuruck;
Dann magst du nach Belieben fragen.
FAUST:
Ich habe dir nicht nachgestellt,
Bist du doch selbst ins Garn gegangen.
Den Teufel halte, wer ihn halt!
Er wird ihn nicht so bald zum zweiten Male fangen.
MEPHISTOPHELES:
Wenn dir's beliebt, so bin ich auch bereit,
Dir zur Gesellschaft hier zu bleiben;
Doch mit Bedingnis, dir die Zeit
Durch meine Kunste wurdig zu vertreiben.
FAUST:
Ich seh es gern, das steht dir frei;
Nur dass die Kunst gefallig sei!
MEPHISTOPHELES:
Du wirst, mein Freund, fur deine Sinnen
In dieser Stunde mehr gewinnen
Als in des Jahres Einerlei.
Was dir die zarten Geister singen,
Die schonen Bilder, die sie bringen,
Sind nicht ein leeres Zauberspiel.
Auch dein Geruch wird sich ergetzen,
Dann wirst du deinen Gaumen letzen,
Und dann entzuckt sich dein Gefuhl.
Bereitung braucht es nicht voran,
Beisammen sind wir, fanget an!
GEISTER:
Schwindet, ihr dunkeln
Wolbungen droben!
Reizender schaue
Freundlich der blaue
Ather herein!
Waren die dunkeln
Wolken zerronnen!
Sternelein funkeln,
Mildere Sonnen
Scheinen darein.
Himmlischer Sohne
Geistige Schone,
Schwankende Beugung
Schwebet voruber.
Sehnende Neigung
Folget hinuber;
Und der Gewander
Flatternde Bander
Decken die Lander,
Decken die Laube,
Wo sich furs Leben,
Tief in Gedanken,
Liebende geben.
Laube bei Laube!
Sprossende Ranken!
Lastende Traube
Sturzt ins Behalter
Drangender Kelter,
Sturzen in Bachen
Schaumende Weine,
Rieseln durch reine,
Edle Gesteine,
Lassen die Hohen
Hinter sich liegen,
Breiten zu Seen
Sich ums Genuge
Grunender Hugel.
Und das Geflugel
Schlurfet sich Wonne,
Flieget der Sonne,
Flieget den hellen
Inseln entgegen,
Die sich auf Wellen
Gauklend bewegen;
Wo wir in Choren
Jauchzende horen,
Uber den Auen
Tanzende schauen,
Die sich im Freien
Alle zerstreuen.
Einige klimmen
Uber die Hohen,
Andere schwimmen
Uber die Seen,
Andere schweben;
Alle zum Leben,
Alle zur Ferne
Liebender Sterne,
Seliger Huld.
MEPHISTOPHELES:
Er schlaft! So recht, ihr luft'gen zarten Jungen!
Ihr habt ihn treulich eingesungen!
Fur dies Konzert bin ich in eurer Schuld.
Du bist noch nicht der Mann, den Teufel festzuhalten!
Umgaukelt ihn mit sussen Traumgestalten,
Versenkt ihn in ein Meer des Wahns;
Doch dieser Schwelle Zauber zu zerspalten,
Bedarf ich eines Rattenzahns.
Nicht lange brauch ich zu beschworen,
Schon raschelt eine hier und wird sogleich mich horen.
Der Herr der Ratten und der Mause,
Der Fliegen, Frosche, Wanzen, Lause
Befiehlt dir, dich hervor zu wagen
Und diese Schwelle zu benagen,
So wie er sie mit Ol betupft-
Da kommst du schon hervorgehupft!
Nur frisch ans Werk! Die Spitze, die mich bannte,
Sie sitzt ganz vornen an der Kante.
Noch einen Biss, so ist's geschehn. -
Nun, Fauste, traume fort, bis wir uns wiedersehn.
FAUST (erwachend):
Bin ich denn abermals betrogen?
Verschwindet so der geisterreiche Drang
Dass mir ein Traum den Teufel vorgelogen,
Und dass ein Pudel mir entsprang?
Studierzimmer
Faust. Mephistopheles.
FAUST:
Es klopft? Herein! Wer will mich wieder plagen?
MEPHISTOPHELES:
Ich bin's.
FAUST:
Herein!
MEPHISTOPHELES:
Du musst es dreimal sagen.
FAUST:
Herein denn!
MEPHISTOPHELES:
So gefallst du mir. Wir werden, hoff ich, uns vertragen;
Denn dir die Grillen zu verjagen,
Bin ich als edler Junker hier,
In rotem, goldverbramtem Kleide,
Das Mantelchen von starrer Seide,
Die Hahnenfeder auf dem Hut,
Mit einem langen, spitzen Degen,
Und rate nun dir, kurz und gut,
Dergleichen gleichfalls anzulegen;
Damit du, losgebunden, frei,
Erfahrest, was das Leben sei.
FAUST:
In jedem Kleide werd ich wohl die Pein
Des engen Erdelebens fuhlen.
Ich bin zu alt, um nur zu spielen,
Zu jung, um ohne Wunsch zu sein.
Was kann die Welt mir wohl gewahren?
Entbehren sollst du! sollst entbehren!
Das ist der ewige Gesang,
Der jedem an die Ohren klingt,
Den, unser ganzes Leben lang,
Uns heiser jede Stunde singt.
Nur mit Entsetzen wach ich morgens auf,
Ich mochte bittre Tranen weinen,
Den Tag zu sehn, der mir in seinem Lauf
Nicht einen Wunsch erfullen wird, nicht einen,
Der selbst die Ahnung jeder Lust
Mit eigensinnigem Krittel mindert,
Die Schopfung meiner regen Brust
Mit tausend Lebensfratzen hindert.
Auch muss ich, wenn die Nacht sich niedersenkt,
Mich angstlich auf das Lager strecken;
Auch da wird keine Rast geschenkt,
Mich werden wilde Traume schrecken.
Der Gott, der mir im Busen wohnt,
Kann tief mein Innerstes erregen;
Der uber allen meinen Kraften thront,
Er kann nach aussen nichts bewegen;
Und so ist mir das Dasein eine Last,
Der Tod erwunscht, das Leben mir verhasst.
MEPHISTOPHELES:
Und doch ist nie der Tod ein ganz willkommner Gast.
FAUST:
O selig der, dem er im Siegesglanze
Die blut'gen Lorbeern um die Schlafe windet,
Den er, nach rasch durchrastem Tanze,
In eines Madchens Armen findet!
O war ich vor des hohen Geistes Kraft
Entzuckt, entseelt dahin gesunken!
MEPHISTOPHELES:
Und doch hat jemand einen braunen Saft,
In jener Nacht, nicht ausgetrunken.
FAUST:
Das Spionieren, scheint's, ist deine Lust.
MEPHISTOPHELES:
Allwissend bin ich nicht; doch viel ist mir bewusst.
FAUST:
Wenn aus dem schrecklichen Gewuhle
Ein suss bekannter Ton mich zog,
Den Rest von kindlichem Gefuhle
Mit Anklang froher Zeit betrog,
So fluch ich allem, was die Seele
Mit Lock- und Gaukelwerk umspannt,
Und sie in diese Trauerhohle
Mit Blend- und Schmeichelkraften bannt!
Verflucht voraus die hohe Meinung
Womit der Geist sich selbst umfangt!
Verflucht das Blenden der Erscheinung,
Die sich an unsre Sinne drangt!
Verflucht, was uns in Traumen heuchelt
Des Ruhms, der Namensdauer Trug!
Verflucht, was als Besitz uns schmeichelt,
Als Weib und Kind, als Knecht und Pflug!
Verflucht sei Mammon, wenn mit Schatzen
Er uns zu kuhnen Taten regt,
Wenn er zu mussigem Ergetzen
Die Polster uns zurechte legt!
Fluch sei dem Balsamsaft der Trauben!
Fluch jener hochsten Liebeshuld!
Fluch sei der Hoffnung! Fluch dem Glauben,
Und Fluch vor allen der Geduld!
GEISTERCHOR (unsichtbar):
Weh! weh!
Du hast sie zerstort
Die schone Welt,
Mit machtiger Faust;
Sie sturzt, sie zerfallt!
Ein Halbgott hat sie zerschlagen!
Wir tragen
Die Trummern ins Nichts hinuber,
Und klagen
Uber die verlorne Schone.
Machtiger
Der Erdensohne,
Prachtiger
Baue sie wieder,
In deinem Busen baue sie auf!
Neuen Lebenslauf
Beginne,
Mit hellem Sinne,
Und neue Lieder
Tonen darauf!
MEPHISTOPHELES:
Dies sind die Kleinen
Von den Meinen.
Hore, wie zu Lust und Taten
Altklug sie raten!
In die Welt weit,
Aus der Einsamkeit
Wo Sinnen und Safte stocken,
Wollen sie dich locken. Hor auf, mit deinem Gram zu spielen,
Der, wie ein Geier, dir am Leben frisst;
Die schlechteste Gesellschaft lasst dich fuhlen,
Dass du ein Mensch mit Menschen bist.
Doch so ist's nicht gemeint
Dich unter das Pack zu stossen.
Ich bin keiner von den Grossen;
Doch willst du, mit mir vereint,
Deine Schritte durchs Leben nehmen,
So will ich mich gern bequemen,
Dein zu sein, auf der Stelle.
Ich bin dein Geselle,
Und mach ich dir's recht,
Bin ich dein Diener, bin dein Knecht!
FAUST:
Und was soll ich dagegen dir erfullen?
MEPHISTOPHELES:
Dazu hast du noch eine lange Frist.
FAUST:
Nein, nein! der Teufel ist ein Egoist
Und tut nicht leicht um Gottes willen,
Was einem andern nutzlich ist.
Sprich die Bedingung deutlich aus;
Ein solcher Diener bringt Gefahr ins Haus.
MEPHISTOPHELES:
Ich will mich hier zu deinem Dienst verbinden,
Auf deinen Wink nicht rasten und nicht ruhn;
Wenn wir uns druben wiederfinden,
So sollst du mir das gleiche tun.
FAUST:
Das Druben kann mich wenig kummern;
Schlagst du erst diese Welt zu Trummern,
Die andre mag darnach entstehn.
Aus dieser Erde quillen meine Freuden,
Und diese Sonne scheinet meinen Leiden;
Kann ich mich erst von ihnen scheiden,
Dann mag, was will und kann, geschehn.
Davon will ich nichts weiter horen,
Ob man auch kunftig hasst und liebt,
Und ob es auch in jenen Spharen
Ein Oben oder Unten gibt.
MEPHISTOPHELES:
In diesem Sinne kannst du's wagen.
Verbinde dich; du sollst, in diesen Tagen,
Mit Freuden meine Kunste sehn,
Ich gebe dir, was noch kein Mensch gesehn.
FAUST:
Was willst du armer Teufel geben?
Ward eines Menschen Geist, in seinem hohen Streben,
Von deinesgleichen je gefasst?
Doch hast du Speise, die nicht sattigt, hast
Du rotes Gold, das ohne Rast,
Quecksilber gleich, dir in der Hand zerrinnt,
Ein Spiel, bei dem man nie gewinnt,
Ein Madchen, das an meiner Brust
Mit Augeln schon dem Nachbar sich verbindet,
Der Ehre schone Gotterlust,
Die, wie ein Meteor, verschwindet?
Zeig mir die Frucht, die fault, eh man sie bricht,
Und Baume, die sich taglich neu begrunen!
MEPHISTOPHELES:
Ein solcher Auftrag schreckt mich nicht,
Mit solchen Schatzen kann ich dienen.
Doch, guter Freund, die Zeit kommt auch heran,
Wo wir was Guts in Ruhe schmausen mogen.
FAUST:
Werd ich beruhigt je mich auf ein Faulbett legen,
So sei es gleich um mich getan!
Kannst du mich schmeichelnd je belugen,
Dass ich mir selbst gefallen mag,
Kannst du mich mit Genuss betrugen-
Das sei fur mich der letzte Tag!
Die Wette biet ich!
MEPHISTOPHELES:
Topp!
FAUST:
Und Schlag auf Schlag! Werd ich zum Augenblicke sagen:
Verweile doch! du bist so schon!
Dann magst du mich in Fesseln schlagen,
Dann will ich gern zugrunde gehn!
Dann mag die Totenglocke schallen,
Dann bist du deines Dienstes frei,
Die Uhr mag stehn, der Zeiger fallen,
Es sei die Zeit fur mich vorbei!
MEPHISTOPHELES:
Bedenk es wohl, wir werden's nicht vergessen.
FAUST:
Dazu hast du ein volles Recht;
Ich habe mich nicht freventlich vermessen.
Wie ich beharre, bin ich Knecht,
Ob dein, was frag ich, oder wessen.
MEPHISTOPHELES:
Ich werde heute gleich, beim Doktorschmaus,
Als Diener meine Pflicht erfullen.
Nur eins! - Um Lebens oder Sterbens willen
Bitt ich mir ein paar Zeilen aus.
FAUST:
Auch was Geschriebnes forderst du Pedant?
Hast du noch keinen Mann, nicht Manneswort gekannt?
Ist's nicht genug, dass mein gesprochnes Wort
Auf ewig soll mit meinen Tagen schalten?
Rast nicht die Welt in allen Stromen fort,
Und mich soll ein Versprechen halten?
Doch dieser Wahn ist uns ins Herz gelegt,
Wer mag sich gern davon befreien?
Begluckt, wer Treue rein im Busen tragt,
Kein Opfer wird ihn je gereuen!
Allein ein Pergament, beschrieben und bepragt,
Ist ein Gespenst, vor dem sich alle scheuen.
Das Wort erstirbt schon in der Feder,
Die Herrschaft fuhren Wachs und Leder.
Was willst du boser Geist von mir?
Erz, Marmor, Pergament, Papier?
Soll ich mit Griffel, Meissel, Feder schreiben?
Ich gebe jede Wahl dir frei.
MEPHISTOPHELES:
Wie magst du deine Rednerei
Nur gleich so hitzig ubertreiben?
Ist doch ein jedes Blattchen gut.
Du unterzeichnest dich mit einem Tropfchen Blut.
FAUST:
Wenn dies dir vollig Gnuge tut,
So mag es bei der Fratze bleiben.
MEPHISTOPHELES:
Blut ist ein ganz besondrer Saft.
FAUST:
Nur keine Furcht, dass ich dies Bundnis breche!
Das Streben meiner ganzen Kraft
Ist grade das, was ich verspreche.
Ich habe mich zu hoch geblaht,
In deinen Rang gehor ich nur.
Der grosse Geist hat mich verschmaht,
Vor mir verschliesst sich die Natur
Des Denkens Faden ist zerrissen
Mir ekelt lange vor allem Wissen.
Lass in den Tiefen der Sinnlichkeit
Uns gluhende Leidenschaften stillen!
In undurchdrungnen Zauberhullen
Sei jedes Wunder gleich bereit!
