Und sind wir leicht, so geht es schnell hinauf;
Ich gratuliere dir zum neuen Lebenslauf!
Ich gratuliere dir zum neuen Lebenslauf!
Goethe - Faust- Der Tragödie erster Teil
FAUST:
Und was soll ich dagegen dir erfullen?
MEPHISTOPHELES:
Dazu hast du noch eine lange Frist.
FAUST:
Nein, nein! der Teufel ist ein Egoist
Und tut nicht leicht um Gottes willen,
Was einem andern nutzlich ist.
Sprich die Bedingung deutlich aus;
Ein solcher Diener bringt Gefahr ins Haus.
MEPHISTOPHELES:
Ich will mich hier zu deinem Dienst verbinden,
Auf deinen Wink nicht rasten und nicht ruhn;
Wenn wir uns druben wiederfinden,
So sollst du mir das gleiche tun.
FAUST:
Das Druben kann mich wenig kummern;
Schlagst du erst diese Welt zu Trummern,
Die andre mag darnach entstehn.
Aus dieser Erde quillen meine Freuden,
Und diese Sonne scheinet meinen Leiden;
Kann ich mich erst von ihnen scheiden,
Dann mag, was will und kann, geschehn.
Davon will ich nichts weiter horen,
Ob man auch kunftig hasst und liebt,
Und ob es auch in jenen Spharen
Ein Oben oder Unten gibt.
MEPHISTOPHELES:
In diesem Sinne kannst du's wagen.
Verbinde dich; du sollst, in diesen Tagen,
Mit Freuden meine Kunste sehn,
Ich gebe dir, was noch kein Mensch gesehn.
FAUST:
Was willst du armer Teufel geben?
Ward eines Menschen Geist, in seinem hohen Streben,
Von deinesgleichen je gefasst?
Doch hast du Speise, die nicht sattigt, hast
Du rotes Gold, das ohne Rast,
Quecksilber gleich, dir in der Hand zerrinnt,
Ein Spiel, bei dem man nie gewinnt,
Ein Madchen, das an meiner Brust
Mit Augeln schon dem Nachbar sich verbindet,
Der Ehre schone Gotterlust,
Die, wie ein Meteor, verschwindet?
Zeig mir die Frucht, die fault, eh man sie bricht,
Und Baume, die sich taglich neu begrunen!
MEPHISTOPHELES:
Ein solcher Auftrag schreckt mich nicht,
Mit solchen Schatzen kann ich dienen.
Doch, guter Freund, die Zeit kommt auch heran,
Wo wir was Guts in Ruhe schmausen mogen.
FAUST:
Werd ich beruhigt je mich auf ein Faulbett legen,
So sei es gleich um mich getan!
Kannst du mich schmeichelnd je belugen,
Dass ich mir selbst gefallen mag,
Kannst du mich mit Genuss betrugen-
Das sei fur mich der letzte Tag!
Die Wette biet ich!
MEPHISTOPHELES:
Topp!
FAUST:
Und Schlag auf Schlag! Werd ich zum Augenblicke sagen:
Verweile doch! du bist so schon!
Dann magst du mich in Fesseln schlagen,
Dann will ich gern zugrunde gehn!
Dann mag die Totenglocke schallen,
Dann bist du deines Dienstes frei,
Die Uhr mag stehn, der Zeiger fallen,
Es sei die Zeit fur mich vorbei!
MEPHISTOPHELES:
Bedenk es wohl, wir werden's nicht vergessen.
FAUST:
Dazu hast du ein volles Recht;
Ich habe mich nicht freventlich vermessen.
Wie ich beharre, bin ich Knecht,
Ob dein, was frag ich, oder wessen.
MEPHISTOPHELES:
Ich werde heute gleich, beim Doktorschmaus,
Als Diener meine Pflicht erfullen.
Nur eins! - Um Lebens oder Sterbens willen
Bitt ich mir ein paar Zeilen aus.
FAUST:
Auch was Geschriebnes forderst du Pedant?
Hast du noch keinen Mann, nicht Manneswort gekannt?
Ist's nicht genug, dass mein gesprochnes Wort
Auf ewig soll mit meinen Tagen schalten?
Rast nicht die Welt in allen Stromen fort,
Und mich soll ein Versprechen halten?
Doch dieser Wahn ist uns ins Herz gelegt,
Wer mag sich gern davon befreien?
Begluckt, wer Treue rein im Busen tragt,
Kein Opfer wird ihn je gereuen!
Allein ein Pergament, beschrieben und bepragt,
Ist ein Gespenst, vor dem sich alle scheuen.
Das Wort erstirbt schon in der Feder,
Die Herrschaft fuhren Wachs und Leder.
Was willst du boser Geist von mir?
Erz, Marmor, Pergament, Papier?
Soll ich mit Griffel, Meissel, Feder schreiben?
Ich gebe jede Wahl dir frei.
MEPHISTOPHELES:
Wie magst du deine Rednerei
Nur gleich so hitzig ubertreiben?
Ist doch ein jedes Blattchen gut.
Du unterzeichnest dich mit einem Tropfchen Blut.
FAUST:
Wenn dies dir vollig Gnuge tut,
So mag es bei der Fratze bleiben.
MEPHISTOPHELES:
Blut ist ein ganz besondrer Saft.
FAUST:
Nur keine Furcht, dass ich dies Bundnis breche!
Das Streben meiner ganzen Kraft
Ist grade das, was ich verspreche.
Ich habe mich zu hoch geblaht,
In deinen Rang gehor ich nur.
Der grosse Geist hat mich verschmaht,
Vor mir verschliesst sich die Natur
Des Denkens Faden ist zerrissen
Mir ekelt lange vor allem Wissen.
Lass in den Tiefen der Sinnlichkeit
Uns gluhende Leidenschaften stillen!
In undurchdrungnen Zauberhullen
Sei jedes Wunder gleich bereit!
Sturzen wir uns in das Rauschen der Zeit,
Ins Rollen der Begebenheit!
Da mag denn Schmerz und Genuss,
Gelingen und Verdruss
Miteinander wechseln, wie es kann;
Nur rastlos betatigt sich der Mann.
MEPHISTOPHELES:
Euch ist kein Mass und Ziel gesetzt.
Beliebt's Euch, uberall zu naschen,
Im Fliehen etwas zu erhaschen,
Bekomm Euch wohl, was Euch ergetzt.
Nur greift mir zu und seid nicht blode!
FAUST:
Du horest ja, von Freud' ist nicht die Rede.
Dem Taumel weih ich mich, dem schmerzlichsten Genuss,
Verliebtem Hass, erquickendem Verdruss.
Mein Busen, der vom Wissensdrang geheilt ist,
Soll keinen Schmerzen kunftig sich verschliessen,
Und was der ganzen Menschheit zugeteilt ist,
Will ich in meinem innern Selbst geniessen,
Mit meinem Geist das Hochst' und Tiefste greifen,
Ihr Wohl und Weh auf meinen Busen haufen,
Und so mein eigen Selbst zu ihrem Selbst erweitern,
Und, wie sie selbst, am End auch ich zerscheitern.
MEPHISTOPHELES:
O glaube mir, der manche tausend Jahre
An dieser harten Speise kaut
Dass von der Wiege bis zur Bahre
Kein Mensch den alten Sauerteig verdaut!
Glaub unsereinem, dieses Ganze
Ist nur fur einen Gott gemacht!
Er findet sich in einem ew'gen Glanze
Uns hat er in die Finsternis gebracht,
Und euch taugt einzig Tag und Nacht.
FAUST:
Allein ich will!
MEPHISTOPHELES:
Das lasst sich horen! Doch nur vor einem ist mir bang:
Die Zeit ist kurz, die Kunst ist lang.
Ich dacht, ihr liesset Euch belehren.
Assoziiert Euch mit einem Poeten,
Lasst den Herrn in Gedanken schweifen,
Und alle edlen Qualitaten
Auf Euren Ehrenscheitel haufen,
Des Lowen Mut,
Des Hirsches Schnelligkeit,
Des Italieners feurig Blut,
Des Nordens Dau'rbarkeit.
Lasst ihn Euch das Geheimnis finden,
Grossmut und Arglist zu verbinden,
Und Euch, mit warmen Jugendtrieben,
Nach einem Plane zu verlieben.
Mochte selbst solch einen Herren kennen,
Wurd ihn Herrn Mikrokosmus nennen.
FAUST:
Was bin ich denn, wenn es nicht moglich ist,
Der Menschheit Krone zu erringen,
Nach der sich alle Sinne dringen?
MEPHISTOPHELES:
Du bist am Ende- was du bist.
Setz dir Perucken auf von Millionen Locken,
Setz deinen Fuss auf ellenhohe Socken,
Du bleibst doch immer, was du bist.
FAUST:
Ich fuhl's, vergebens hab ich alle Schatze
Des Menschengeists auf mich herbeigerafft,
Und wenn ich mich am Ende niedersetze,
Quillt innerlich doch keine neue Kraft;
Ich bin nicht um ein Haar breit hoher,
Bin dem Unendlichen nicht naher.
MEPHISTOPHELES:
Mein guter Herr, Ihr seht die Sachen,
Wie man die Sachen eben sieht;
Wir mussen das gescheiter machen,
Eh uns des Lebens Freude flieht.
Was Henker! freilich Hand und Fusse
Und Kopf und Hintern, die sind dein;
Doch alles, was ich frisch geniesse,
Ist das drum weniger mein?
Wenn ich sechs Hengste zahlen kann,
Sind ihre Krafte nicht die meine?
Ich renne zu und bin ein rechter Mann,
Als hatt ich vierundzwanzig Beine.
Drum frisch! Lass alles Sinnen sein,
Und grad mit in die Welt hinein!
Ich sag es dir: ein Kerl, der spekuliert,
Ist wie ein Tier, auf durrer Heide
Von einem bosen Geist im Kreis herum gefuhrt,
Und rings umher liegt schone grune Weide.
FAUST:
Wie fangen wir das an?
MEPHISTOPHELES:
Wir gehen eben fort. Was ist das fur ein Marterort?
Was heisst das fur ein Leben fuhren,
Sich und die Jungens ennuyieren?
Lass du das dem Herrn Nachbar Wanst!
Was willst du dich das Stroh zu dreschen plagen?
Das Beste, was du wissen kannst,
Darfst du den Buben doch nicht sagen.
Gleich hor ich einen auf dem Gange!
FAUST:
Mir ist's nicht moglich, ihn zu sehn.
MEPHISTOPHELES:
Der arme Knabe wartet lange,
Der darf nicht ungetrostet gehn.
Komm, gib mir deinen Rock und Mutze;
Die Maske muss mir kostlich stehn. (Er kleidet sich um. )
Nun uberlass es meinem Witze!
Ich brauche nur ein Viertelstundchen Zeit;
Indessen mache dich zur schonen Fahrt bereit!
(Faust ab. )
MEPHISTOPHELES (in Fausts langem Kleide):
Verachte nur Vernunft und Wissenschaft,
Des Menschen allerhochste Kraft,
Lass nur in Blend- und Zauberwerken
Dich von dem Lugengeist bestarken,
So hab ich dich schon unbedingt-
Ihm hat das Schicksal einen Geist gegeben,
Der ungebandigt immer vorwarts dringt,
Und dessen ubereiltes Streben
Der Erde Freuden uberspringt.
Den schlepp ich durch das wilde Leben,
Durch flache Unbedeutenheit,
Er soll mir zappeln, starren, kleben,
Und seiner Unersattlichkeit
Soll Speis und Trank vor gier'gen Lippen schweben;
Er wird Erquickung sich umsonst erflehn,
Und hatt er sich auch nicht dem Teufel ubergeben,
Er musste doch zugrunde gehn!
(Ein SCHULER tritt auf. )
SCHULER:
Ich bin allhier erst kurze Zeit,
Und komme voll Ergebenheit,
Einen Mann zu sprechen und zu kennen,
Den alle mir mit Ehrfucht nennen.
MEPHISTOPHELES:
Eure Hoflichkeit erfreut mich sehr!
Ihr seht einen Mann wie andre mehr.
Habt Ihr Euch sonst schon umgetan?
SCHULER:
Ich bitt Euch, nehmt Euch meiner an!
Ich komme mit allem guten Mut,
Leidlichem Geld und frischem Blut;
Meine Mutter wollte mich kaum entfernen;
Mochte gern was Rechts hieraussen lernen.
MEPHISTOPHELES:
Da seid Ihr eben recht am Ort.
SCHULER:
Aufrichtig, mochte schon wieder fort:
In diesen Mauern, diesen Hallen
Will es mir keineswegs gefallen.
Es ist ein gar beschrankter Raum,
Man sieht nichts Grunes, keinen Baum,
Und in den Salen, auf den Banken,
Vergeht mir Horen, Sehn und Denken.
MEPHISTOPHELES:
Das kommt nur auf Gewohnheit an.
So nimmt ein Kind der Mutter Brust
Nicht gleich im Anfang willig an,
Doch bald ernahrt es sich mit Lust.
So wird's Euch an der Weisheit Brusten
Mit jedem Tage mehr gelusten.
SCHULER:
An ihrem Hals will ich mit Freuden hangen;
Doch sagt mir nur, wie kann ich hingelangen?
MEPHISTOPHELES:
Erklart Euch, eh Ihr weiter geht,
Was wahlt Ihr fur eine Fakultat?
SCHULER:
Ich wunschte recht gelehrt zu werden,
Und mochte gern, was auf der Erden
Und in dem Himmel ist, erfassen,
Die Wissenschaft und die Natur.
MEPHISTOPHELES:
Da seid Ihr auf der rechten Spur;
Doch musst Ihr Euch nicht zerstreuen lassen.
SCHULER:
Ich bin dabei mit Seel und Leib;
Doch freilich wurde mir behagen
Ein wenig Freiheit und Zeitvertreib
An schonen Sommerfeiertagen.
MEPHISTOPHELES:
Gebraucht der Zeit, sie geht so schnell von hinnen,
Doch Ordnung lehrt Euch Zeit gewinnen.
Mein teurer Freund, ich rat Euch drum
Zuerst Collegium Logicum.
Da wird der Geist Euch wohl dressiert,
In spanische Stiefeln eingeschnurt,
Dass er bedachtiger so fortan
Hinschleiche die Gedankenbahn,
Und nicht etwa, die Kreuz und Quer,
Irrlichteliere hin und her.
Dann lehret man Euch manchen Tag,
Dass, was Ihr sonst auf einen Schlag
Getrieben, wie Essen und Trinken frei,
Eins! Zwei! Drei! dazu notig sei.
Zwar ist's mit der Gedankenfabrik
Wie mit einem Weber-Meisterstuck,
Wo ein Tritt tausend Faden regt,
Die Schifflein heruber hinuber schiessen,
Die Faden ungesehen fliessen,
Ein Schlag tausend Verbindungen schlagt.
Der Philosoph, der tritt herein
Und beweist Euch, es musst so sein:
Das Erst war so, das Zweite so,
Und drum das Dritt und Vierte so;
Und wenn das Erst und Zweit nicht war,
Das Dritt und Viert war nimmermehr.
Das preisen die Schuler allerorten,
Sind aber keine Weber geworden.
Wer will was Lebendigs erkennen und beschreiben,
Sucht erst den Geist heraus zu treiben,
Dann hat er die Teile in seiner Hand,
Fehlt, leider! nur das geistige Band.
Encheiresin naturae nennt's die Chemie,
Spottet ihrer selbst und weiss nicht wie.
SCHULER:
Kann Euch nicht eben ganz verstehen.
MEPHISTOPHELES:
Das wird nachstens schon besser gehen,
Wenn Ihr lernt alles reduzieren
Und gehorig klassifizieren.
SCHULER:
Mir wird von alledem so dumm,
Als ging, mir ein Muhlrad im Kopf herum.
MEPHISTOPHELES:
Nachher, vor allen andern Sachen,
Musst Ihr Euch an die Metaphysik machen!
Da seht, dass Ihr tiefsinnig fasst,
Was in des Menschen Hirn nicht passt;
Fur was drein geht und nicht drein geht,
Ein prachtig Wort zu Diensten steht.
Doch vorerst dieses halbe Jahr
Nehmt ja der besten Ordnung wahr.
Funf Stunden habt Ihr jeden Tag;
Seid drinnen mit dem Glockenschlag!
Habt Euch vorher wohl prapariert,
Paragraphos wohl einstudiert,
Damit Ihr nachher besser seht,
Dass er nichts sagt, als was im Buche steht;
Doch Euch des Schreibens ja befleisst,
Als diktiert, Euch der Heilig Geist!
SCHULER:
Das sollt Ihr mir nicht zweimal sagen!
Ich denke mir, wie viel es nutzt
Denn, was man schwarz auf weiss besitzt,
Kann man getrost nach Hause tragen.
MEPHISTOPHELES:
Doch wahlt mir eine Fakultat!
SCHULER:
Zur Rechtsgelehrsamkeit kann ich mich nicht bequemen.
MEPHISTOPHELES:
Ich kann es Euch so sehr nicht ubel nehmen,
Ich weiss, wie es um diese Lehre steht.
Es erben sich Gesetz' und Rechte
Wie eine ew'ge Krankheit fort;
Sie schleppen von Geschlecht sich zum Geschlechte,
Und rucken sacht von Ort zu Ort.
Vernunft wird Unsinn, Wohltat Plage;
Weh dir, dass du ein Enkel bist!
Vom Rechte, das mit uns geboren ist,
Von dem ist, leider! nie die Frage.
SCHULER:
Mein Abscheu wird durch Euch vermehrt.
O glucklich der, den Ihr belehrt!
Fast mocht ich nun Theologie studieren.
MEPHISTOPHELES:
Ich wunschte nicht, Euch irre zu fuhren.
Was diese Wissenschaft betrifft,
Es ist so schwer, den falschen Weg zu meiden,
Es liegt in ihr so viel verborgnes Gift,
Und von der Arzenei ist's kaum zu unterscheiden.
Am besten ist's auch hier, wenn Ihr nur einen hort,
Und auf des Meisters Worte schwort.
Im ganzen- haltet Euch an Worte!
Dann geht Ihr durch die sichre Pforte
Zum Tempel der Gewissheit ein.
SCHULER:
Doch ein Begriff muss bei dem Worte sein.
MEPHISTOPHELES:
Schon gut! Nur muss man sich nicht allzu angstlich qualen
Denn eben wo Begriffe fehlen,
Da stellt ein Wort zur rechten Zeit sich ein.
Mit Worten lasst sich trefflich streiten,
Mit Worten ein System bereiten,
An Worte lasst sich trefflich glauben,
Von einem Wort lasst sich kein Jota rauben.
SCHULER:
Verzeiht, ich halt Euch auf mit vielen Fragen,
Allem ich muss Euch noch bemuhn.
Wollt Ihr mir von der Medizin
Nicht auch ein kraftig Wortchen sagen?
Drei Jahr ist eine kurze Zeit,
Und, Gott! das Feld ist gar zu weit.
Wenn man einen Fingerzeig nur hat,
Lasst sich's schon eher weiter fuhlen.
MEPHISTOPHELES (fur sich):
Ich bin des trocknen Tons nun satt,
Muss wieder recht den Teufel spielen.
(Laut. ) Der Geist der Medizin ist leicht zu fassen;
Ihr durchstudiert die gross, und kleine Welt,
Um es am Ende gehn zu lassen,
Wie's Gott gefallt.
Vergebens, dass Ihr ringsum wissenschaftlich schweift,
Ein jeder lernt nur, was er lernen kann;
Doch der den Augenblick ergreift,
Das ist der rechte Mann.
Ihr seid noch ziemlich wohl gebaut,
An Kuhnheit wird's Euch auch nicht fehlen,
Und wenn Ihr Euch nur selbst vertraut,
Vertrauen Euch die andern Seelen.
Besonders lernt die Weiber fuhren;
Es ist ihr ewig Weh und Ach
So tausendfach
Aus einem Punkte zu kurieren,
Und wenn Ihr halbweg ehrbar tut,
Dann habt Ihr sie all unterm Hut.
Ein Titel muss sie erst vertraulich machen,
Dass Eure Kunst viel Kunste ubersteigt;
Zum Willkomm tappt Ihr dann nach allen Siebensachen,
Um die ein andrer viele Jahre streicht,
Versteht das Pulslein wohl zu drucken,
Und fasset sie, mit feurig schlauen Blicken,
Wohl um die schlanke Hufte frei,
Zu sehn, wie fest geschnurt sie sei.
SCHULER:
Das sieht schon besser aus! Man sieht doch, wo und wie.
MEPHISTOPHELES:
Grau, teurer Freund, ist alle Theorie,
Und grun des Lebens goldner Baum.
SCHULER:
Ich schwor Euch zu, mir ist's als wie ein Traum.
Durft ich Euch wohl ein andermal beschweren,
Von Eurer Weisheit auf den Grund zu horen?
MEPHISTOPHELES:
Was ich vermag, soll gern geschehn.
SCHULER:
Ich kann unmoglich wieder gehn,
Ich muss Euch noch mein Stammbuch uberreichen,
Gonn Eure Gunst mir dieses Zeichen!
MEPHISTOPHELES:
Sehr wohl.
(Er schreibt und gibt's. )
SCHULER (liest):
Eritis sicut Deus, scientes bonum et malum.
(Macht's ehrerbietig zu und empfiehlt sich. )
MEPHISTOPHELES:
Folg nur dem alten Spruch und meiner Muhme, der Schlange,
Dir wird gewiss einmal bei deiner Gottahnlichkeit bange!
(Faust tritt auf. )
FAUST:
Wohin soll es nun gehn?
MEPHISTOPHELES:
Wohin es dir gefallt.
Wir sehn die kleine, dann die grosse Welt.
Mit welcher Freude, welchem Nutzen
Wirst du den Cursum durchschmarutzen!
FAUST:
Allein bei meinem langen Bart
Fehlt mir die leichte Lebensart.
Es wird mir der Versuch nicht glucken;
Ich wusste nie mich in die Welt zu schicken.
Vor andern fuhl ich mich so klein;
Ich werde stets verlegen sein.
MEPHISTOPHELES:
Mein guter Freund, das wird sich alles geben;
Sobald du dir vertraust, sobald weisst du zu leben.
FAUST:
Wie kommen wir denn aus dem Haus?
Wo hast du Pferde, Knecht und Wagen?
MEPHISTOPHELES:
Wir breiten nur den Mantel aus,
Der soll uns durch die Lufte tragen.
Du nimmst bei diesem kuhnen Schritt
Nur keinen grossen Bundel mit.
Ein bisschen Feuerluft, die ich bereiten werde,
Hebt uns behend von dieser Erde.
Und sind wir leicht, so geht es schnell hinauf;
Ich gratuliere dir zum neuen Lebenslauf!
Auerbachs Keller in Leipzig
Zeche lustiger Gesellen.
FROSCH:
Will keiner trinken? keiner lachen?
Ich will euch lehren Gesichter machen!
Ihr seid ja heut wie nasses Stroh,
Und brennt sonst immer lichterloh.
BRANDER:
Das liegt an dir; du bringst ja nichts herbei,
Nicht eine Dummheit, keine Sauerei.
FROSCH (giesst ihm ein Glas Wein uber den Kopf):
Da hast du beides!
BRANDER:
Doppelt Schwein!
FROSCH:
Ihr wollt es ja, man soll es sein!
SIEBEL:
Zur Tur hinaus, er sich entzweit!
Mit offner Brust singt Runda, sauft und schreit!
Auf! Holla! Ho!
ALTMAYER:
Weh mir, ich bin verloren! Baumwolle her! der Kerl sprengt mir die Ohren.
SIEBEL:
Wenn das Gewolbe widerschallt,
Fuhlt man erst recht des Basses Grundgewalt.
FROSCH:
So recht, hinaus mit dem, der etwas ubel nimmt!
A! tara lara da!
ALTMAYER:
A! tara lara da!
FROSCH:
Die Kehlen sind gestimmt.
(Singt. )
Das liebe Heil'ge Rom'sche Reich,
Wie halt's nur noch zusammen?
BRANDER:
Ein garstig Lied! Pfui! ein politisch Lied
Ein leidig Lied! Dankt Gott mit jedem Morgen,
Dass ihr nicht braucht furs Rom'sche Reich zu sorgen!
Ich halt es wenigstens fur reichlichen Gewinn,
Dass ich nicht Kaiser oder Kanzler bin.
Doch muss auch uns ein Oberhaupt nicht fehlen;
Wir wollen einen Papst erwahlen.
Ihr wisst, welch eine Qualitat
Den Ausschlag gibt, den Mann erhoht.
FROSCH (singt):
Schwing dich auf, Frau Nachtigall,
Gruss mir mein Liebchen zehentausendmal.
SIEBEL:
Dem Liebchen keinen Gruss! ich will davon nichts horen!
FROSCH:
Dem Liebchen Gruss und Kuss! du wirst mir's nicht verwehren!
(Singt. )
Riegel auf! in stiller Nacht.
Riegel auf! der Liebste wacht.
Riegel zu! des Morgens fruh.
SIEBEL:
Ja, singe, singe nur und lob und ruhme sie!
Ich will zu meiner Zeit schon lachen.
Sie hat mich angefuhrt, dir wird sie's auch so machen.
Zum Liebsten sei ein Kobold ihr beschert!
Der mag mit ihr auf einem Kreuzweg schakern;
Ein alter Bock, wenn er vom Blocksberg kehrt,
Mag im Galopp noch gute Nacht ihr meckern!
Ein braver Kerl von echtem Fleisch und Blut
Ist fur die Dirne viel zu gut.
Ich will von keinem Grusse wissen,
Als ihr die Fenster eingeschmissen
BRANDER (auf den Tisch schlagend):
Passt auf! passt auf! Gehorchet mir!
Ihr Herrn, gesteht, ich weiss zu leben
Verliebte Leute sitzen hier,
Und diesen muss, nach Standsgebuhr,
Zur guten Nacht ich was zum besten geben.
Gebt acht! Ein Lied vom neusten Schnitt!
Und singt den Rundreim kraftig mit!
(Er singt. )
Es war eine Ratt im Kellernest,
Lebte nur von Fett und Butter,
Hatte sich ein Ranzlein angemast't,
Als wie der Doktor Luther.
Die Kochin hatt ihr Gift gestellt;
Da ward's so eng ihr in der Welt,
Als hatte sie Lieb im Leibe.
CHORUS (jauchzend):
Als hatte sie Lieb im Leibe.
BRANDER:
Sie fuhr herum, sie fuhr heraus,
Und soff aus allen Pfutzen,
Zernagt', zerkratzt, das ganze Haus,
Wollte nichts ihr Wuten nutzen;
Sie tat gar manchen Angstesprung,
Bald hatte das arme Tier genung,
Als hatt es Lieb im Leibe.
CHORUS:
Als hatt es Lieb im Leibe.
BRANDER:
Sie kam vor Angst am hellen Tag
Der Kuche zugelaufen,
Fiel an den Herd und zuckt, und lag,
Und tat erbarmlich schnaufen.
Da lachte die Vergifterin noch:
Ha! sie pfeift auf dem letzten Loch,
Als hatte sie Lieb im Leibe.
CHORUS:
Als hatte sie Lieb im Leibe.
SIEBEL:
Wie sich die platten Bursche freuen!
Es ist mir eine rechte Kunst,
Den armen Ratten Gift zu streuen!
BRANDER:
Sie stehn wohl sehr in deiner Gunst?
ALTMAYER:
Der Schmerbauch mit der kahlen Platte!
Das Ungluck macht ihn zahm und mild;
Er sieht in der geschwollnen Ratte
Sein ganz naturlich Ebenbild
(Faust und Mephistopheles treten auf. )
MEPHISTOPHELES:
Ich muss dich nun vor allen Dingen
In lustige Gesellschaft bringen,
Damit du siehst, wie leicht sich's leben lasst.
Dem Volke hier wird jeder Tag ein Fest.
Mit wenig Witz und viel Behagen
Dreht jeder sich im engen Zirkeltanz,
Wie junge Katzen mit dem Schwanz.
Wenn sie nicht uber Kopfweh klagen,
So lang der Wirt nur weiter borgt,
Sind sie vergnugt und unbesorgt.
BRANDER:
Die kommen eben von der Reise,
Man sieht's an ihrer wunderlichen Weise;
Sie sind nicht eine Stunde hier.
FROSCH:
Wahrhaftig, du hast recht! Mein Leipzig lob ich mir!
Es ist ein klein Paris, und bildet seine Leute.
SIEBEL:
Fur was siehst du die Fremden an?
FROSCH:
Lass mich nur gehn! Bei einem vollen Glase
Zieh ich, wie einen Kinderzahn,
Den Burschen leicht die Wurmer aus der Nase.
Sie scheinen mir aus einem edlen Haus,
Sie sehen stolz und unzufrieden aus.
BRANDER:
Marktschreier sind's gewiss, ich wette!
ALTMAYER:
Vielleicht.
FROSCH:
Gib acht, ich schraube sie!
MEPHISTOPHELES (zu Faust):
Den Teufel spurt das Volkchen nie,
Und wenn er sie beim Kragen hatte.
FAUST:
Seid uns gegrusst, ihr Herrn!
SIEBEL:
Viel Dank zum Gegengruss.
(Leise, Mephistopheles von der Seite ansehend. )
Was hinkt der Kerl auf einem Fuss?
MEPHISTOPHELES:
Ist es erlaubt, uns auch zu euch zu setzen?
Statt eines guten Trunks, den man nicht haben kann
Soll die Gesellschaft uns ergetzen.
ALTMAYER:
Ihr scheint ein sehr verwohnter Mann.
FROSCH:
Ihr seid wohl spat von Rippach aufgebrochen?
Habt ihr mit Herren Hans noch erst zu Nacht gespeist?
MEPHISTOPHELES:
Heut sind wir ihn vorbeigereist!
Wir haben ihn das letztemal gesprochen.
Von seinen Vettern wusst er viel zu sagen,
Viel Grusse hat er uns an jeden aufgetragen.
(Er neigt sich gegen Frosch. )
ALTMAYER (leise):
Da hast du's! der versteht's!
SIEBEL:
Ein pfiffiger Patron!
FROSCH:
Nun, warte nur, ich krieg ihn schon!
MEPHISTOPHELES:
Wenn ich nicht irrte, horten wir
Geubte Stimmen Chorus singen?
Gewiss, Gesang muss trefflich hier
Von dieser Wolbung widerklingen!
FROSCH:
Seid Ihr wohrgar ein Virtuos?
MEPHISTOPHELES:
O nein! die Kraft ist schwach, allein die Lust ist gross.
ALTMAYER:
Gebt uns ein Lied!
MEPHISTOPHELES:
Wenn ihr begehrt, die Menge.
SIEBEL:
Nur auch ein nagelneues Stuck!
MEPHISTOPHELES:
Wir kommen erst aus Spanien zuruck,
Dem schonen Land des Weins und der Gesange.
(Singt).
Es war einmal ein Konig,
Der hatt einen grossen Floh-
FROSCH:
Horcht! Einen Froh! Habt ihr das wohl gefasst?
Ein Floh ist mir ein saubrer Gast.
MEPHISTOPHELES (singt):
Es war einmal ein Konig
Der hatt einen grossen Floh,
Den liebt, er gar nicht wenig,
Als wie seinen eignen Sohn.
Da rief er seinen Schneider,
Der Schneider kam heran:
Da, miss dem Junker Kleider
Und miss ihm Hosen an!
BRANDER:
Vergesst nur nicht, dem Schneider einzuscharfen,
Dass er mir aufs genauste misst,
Und dass, so lieb sein Kopf ihm ist,
Die Hosen keine Falten werfen!
MEPHISTOPHELES:
In Sammet und in Seide
War er nun angetan
Hatte Bander auf dem Kleide,
Hatt auch ein Kreuz daran
Und war sogleich Minister,
Und hatt einen grossen Stern.
Da wurden seine Geschwister
Bei Hof auch grosse Herrn.
Und Herrn und Fraun am Hofe,
Die waren sehr geplagt,
Die Konigin und die Zofe
Gestochen und genagt,
Und durften sie nicht knicken,
Und weg sie jucken nicht.
Wir knicken und ersticken
Doch gleich, wenn einer sticht.
CHORUS (jauchzend):
Wir knicken und ersticken
Doch gleich, wenn einer sticht.
FROSCH:
Bravo! Bravo! Das war schon!
SIEBEL:
So soll es jedem Floh ergehn!
BRANDER:
Spitzt die Finger und packt sie fein!
ALTMAYER:
Es lebe die Freiheit! Es lebe der Wein!
MEPHISTOPHELES:
Ich tranke gern ein Glas, die Freiheit hoch zu ehren,
Wenn eure Weine nur ein bisschen besser waren.
SIEBEL:
Wir mogen das nicht wieder horen!
MEPHISTOPHELES:
Ich furchte nur, der Wirt beschweret sich;
Sonst gab ich diesen werten Gasten
Aus unserm Keller was zum besten.
SIEBEL:
Nur immer her! ich nehm's auf mich.
FROSCH:
Schafft Ihr ein gutes Glas, so wollen wir Euch loben.
Nur gebt nicht gar zu kleine Proben
Denn wenn ich judizieren soll,
Verlang ich auch das Maul recht voll.
ALTMAYER (leise):
Sie sind vom Rheine, wie ich spure.
MEPHISTOPHELES:
Schafft einen Bohrer an!
BRANDER:
Was soll mit dem geschehn? Ihr habt doch nicht die Fasser vor der Ture?
ALTMAYER:
Dahinten hat der Wirt ein Korbchen Werkzeug stehn.
MEPHISTOPHELES (nimmt den Bohrer. Zu Frosch):
Nun sagt, was wunschet Ihr zu schmecken?
FROSCH:
Wie meint Ihr das? Habt Ihr so mancherlei?
MEPHISTOPHELES:
Ich stell es einem jeden frei.
ALTMAYER (zu Frosch):
Aha! du fangst schon an, die Lippen abzulecken.
FROSCH:
Gut! wenn ich wahlen soll, so will ich Rheinwein haben.
Das Vaterland verleiht die allerbesten Gaben.
MEPHISTOPHELES (indem er an dem Platz, wo Frosch sitzt, ein Loch in den
Tischrand bohrt):
Verschafft ein wenig Wachs, die Pfropfen gleich zu machen!
ALTMAYER:
Ach, das sind Taschenspielersachen.
MEPHISTOPHELES (zu Brander):
Und Ihr?
BRANDER:
Ich will Champagner Wein Und recht moussierend soll er sein!
(Mephistopheles bohrt; einer hat indessen die Wachspfropfen gemacht
und verstopft. )
Man kann nicht stets das Fremde meiden
Das Gute liegt uns oft so fern.
Ein echter deutscher Mann mag keinen Franzen leiden,
Doch ihre Weine trinkt er gern.
SIEBEL (indem sich Mephistopheles seinem Platze nahert):
Ich muss gestehn, den sauern mag ich nicht,
Gebt mir ein Glas vom echten sussen!
MEPHISTOPHELES (bohrt):
Euch soll sogleich Tokayer fliessen.
ALTMAYER:
Nein, Herren, seht mir ins Gesicht!
Ich seh es ein, ihr habt uns nur zum besten.
MEPHISTOPHELES:
Ei! Ei! Mit solchen edlen Gasten
War es ein bisschen viel gewagt.
Geschwind! Nur grad heraus gesagt!
Mit welchem Weine kann ich dienen?
ALTMAYER:
Mit jedem! Nur nicht lang gefragt.
(Nachdem die Locher alle gebohrt und verstopft sind. )
MEPHISTOPHELES (mit seltsamen Gebarden):
Trauben tragt der Weinstock!
Horner der Ziegenbock;
Der Wein ist saftig, Holz die Reben,
Der holzerne Tisch kann Wein auch geben.
Ein tiefer Blick in die Natur!
Hier ist ein Wunder, glaubet nur! Nun zieht die Pfropfen und geniesst!
ALLE (indem sie die Pfropfen ziehen und jedem der verlangte Wein ins Glas
lauft):
O schoner Brunnen, der uns fliesst!
MEPHISTOPHELES:
Nur hutet euch, dass ihr mir nichts vergiesst!
(Sie trinken wiederholt. )
ALLE (singen):
Uns ist ganz kannibalisch wohl,
Als wie funfhundert Sauen!
MEPHISTOPHELES:
Das Volk ist frei, seht an, wie wohl's ihm geht!
FAUST:
Ich hatte Lust, nun abzufahren.
MEPHISTOPHELES:
Gib nur erst acht, die Bestialitat
Wird sich gar herrlich offenbaren.
SIEBEL (trinkt unvorsichtig, der Wein fliesst auf die Erde und wird zur
Flamme):
Helft! Feuer! helft! Die Holle brennt!
MEPHISTOPHELES (die Flamme besprechend):
Sei ruhig, freundlich Element!
(Zu den Gesellen. )
Fur diesmal war es nur ein Tropfen Fegefeuer.
SIEBEL:
Was soll das sein? Wart! Ihr bezahlt es teuer!
Es scheinet, dass Ihr uns nicht kennt.
