Mochte selbst solch einen Herren kennen,
Wurd ihn Herrn Mikrokosmus nennen.
Wurd ihn Herrn Mikrokosmus nennen.
Goethe - Faust- Der Tragödie erster Teil
FAUST:
Was ist mit diesem Ratselwort gemeint?
MEPHISTOPHELES:
Ich bin der Geist, der stets verneint!
Und das mit Recht; denn alles, was entsteht,
Ist wert, dass es zugrunde geht;
Drum besser war's, dass nichts entstunde.
So ist denn alles, was ihr Sunde,
Zerstorung, kurz, das Bose nennt,
Mein eigentliches Element.
FAUST:
Du nennst dich einen Teil, und stehst doch ganz vor mir?
MEPHISTOPHELES:
Bescheidne Wahrheit sprech ich dir.
Wenn sich der Mensch, die kleine Narrenwelt
Gewohnlich fur ein Ganzes halt-
Ich bin ein Teil des Teils, der anfangs alles war
Ein Teil der Finsternis, die sich das Licht gebar
Das stolze Licht, das nun der Mutter Nacht
Den alten Rang, den Raum ihr streitig macht,
Und doch gelingt's ihm nicht, da es, so viel es strebt,
Verhaftet an den Korpern klebt.
Von Korpern stromt's, die Korper macht es schon,
Ein Korper hemmt's auf seinem Gange;
So, hoff ich, dauert es nicht lange,
Und mit den Korpern wird's zugrunde gehn.
FAUST:
Nun kenn ich deine wurd'gen Pflichten!
Du kannst im Grossen nichts vernichten
Und fangst es nun im Kleinen an.
MEPHISTOPHELES:
Und freilich ist nicht viel damit getan.
Was sich dem Nichts entgegenstellt,
Das Etwas, diese plumpe Welt
So viel als ich schon unternommen
Ich wusste nicht ihr beizukommen
Mit Wellen, Sturmen, Schutteln, Brand-
Geruhig bleibt am Ende Meer und Land!
Und dem verdammten Zeug, der Tier- und Menschenbrut,
Dem ist nun gar nichts anzuhaben:
Wie viele hab ich schon begraben!
Und immer zirkuliert ein neues, frisches Blut.
So geht es fort, man mochte rasend werden!
Der Luft, dem Wasser wie der Erden
Entwinden tausend Keime sich,
Im Trocknen, Feuchten, Warmen, Kalten!
Hatt ich mir nicht die Flamme vorbehalten,
Ich hatte nichts Aparts fur mich.
FAUST:
So setzest du der ewig regen,
Der heilsam schaffenden Gewalt
Die kalte Teufelsfaust entgegen,
Die sich vergebens tuckisch ballt!
Was anders suche zu beginnen
Des Chaos wunderlicher Sohn!
MEPHISTOPHELES:
Wir wollen wirklich uns besinnen,
Die nachsten Male mehr davon!
Durft ich wohl diesmal mich entfernen?
FAUST:
Ich sehe nicht, warum du fragst.
Ich habe jetzt dich kennen lernen
Besuche nun mich, wie du magst.
Hier ist das Fenster, hier die Ture,
Ein Rauchfang ist dir auch gewiss.
MEPHISTOPHELES:
Gesteh ich's nur! dass ich hinausspaziere,
Verbietet mir ein kleines Hindernis,
Der Drudenfuss auf Eurer Schwelle-
FAUST:
Das Pentagramma macht dir Pein?
Ei sage mir, du Sohn der Holle,
Wenn das dich bannt, wie kamst du denn herein?
Wie ward ein solcher Geist betrogen?
MEPHISTOPHELES:
Beschaut es recht! es ist nicht gut gezogen:
Der eine Winkel, der nach aussen zu,
Ist, wie du siehst, ein wenig offen.
FAUST:
Das hat der Zufall gut getroffen!
Und mein Gefangner warst denn du?
Das ist von ungefahr gelungen!
MEPHISTOPHELES:
Der Pudel merkte nichts, als er hereingesprungen,
Die Sache sieht jetzt anders aus:
Der Teufel kann nicht aus dem Haus.
FAUST:
Doch warum gehst du nicht durchs Fenster?
MEPHISTOPHELES:
's ist ein Gesetz der Teufel und Gespenster:
Wo sie hereingeschlupft, da mussen sie hinaus.
Das erste steht uns frei, beim zweiten sind wir Knechte.
FAUST:
Die Holle selbst hat ihre Rechte?
Das find ich gut, da liesse sich ein Pakt,
Und sicher wohl, mit euch, ihr Herren, schliessen?
MEPHISTOPHELES:
Was man verspricht, das sollst du rein geniessen,
Dir wird davon nichts abgezwackt.
Doch das ist nicht so kurz zu fassen,
Und wir besprechen das zunachst
Doch jetzo bitt ich, hoch und hochst,
Fur dieses Mal mich zu entlassen.
FAUST:
So bleibe doch noch einen Augenblick,
Um mir erst gute Mar zu sagen.
MEPHISTOPHELES:
Jetzt lass mich los! ich komme bald zuruck;
Dann magst du nach Belieben fragen.
FAUST:
Ich habe dir nicht nachgestellt,
Bist du doch selbst ins Garn gegangen.
Den Teufel halte, wer ihn halt!
Er wird ihn nicht so bald zum zweiten Male fangen.
MEPHISTOPHELES:
Wenn dir's beliebt, so bin ich auch bereit,
Dir zur Gesellschaft hier zu bleiben;
Doch mit Bedingnis, dir die Zeit
Durch meine Kunste wurdig zu vertreiben.
FAUST:
Ich seh es gern, das steht dir frei;
Nur dass die Kunst gefallig sei!
MEPHISTOPHELES:
Du wirst, mein Freund, fur deine Sinnen
In dieser Stunde mehr gewinnen
Als in des Jahres Einerlei.
Was dir die zarten Geister singen,
Die schonen Bilder, die sie bringen,
Sind nicht ein leeres Zauberspiel.
Auch dein Geruch wird sich ergetzen,
Dann wirst du deinen Gaumen letzen,
Und dann entzuckt sich dein Gefuhl.
Bereitung braucht es nicht voran,
Beisammen sind wir, fanget an!
GEISTER:
Schwindet, ihr dunkeln
Wolbungen droben!
Reizender schaue
Freundlich der blaue
Ather herein!
Waren die dunkeln
Wolken zerronnen!
Sternelein funkeln,
Mildere Sonnen
Scheinen darein.
Himmlischer Sohne
Geistige Schone,
Schwankende Beugung
Schwebet voruber.
Sehnende Neigung
Folget hinuber;
Und der Gewander
Flatternde Bander
Decken die Lander,
Decken die Laube,
Wo sich furs Leben,
Tief in Gedanken,
Liebende geben.
Laube bei Laube!
Sprossende Ranken!
Lastende Traube
Sturzt ins Behalter
Drangender Kelter,
Sturzen in Bachen
Schaumende Weine,
Rieseln durch reine,
Edle Gesteine,
Lassen die Hohen
Hinter sich liegen,
Breiten zu Seen
Sich ums Genuge
Grunender Hugel.
Und das Geflugel
Schlurfet sich Wonne,
Flieget der Sonne,
Flieget den hellen
Inseln entgegen,
Die sich auf Wellen
Gauklend bewegen;
Wo wir in Choren
Jauchzende horen,
Uber den Auen
Tanzende schauen,
Die sich im Freien
Alle zerstreuen.
Einige klimmen
Uber die Hohen,
Andere schwimmen
Uber die Seen,
Andere schweben;
Alle zum Leben,
Alle zur Ferne
Liebender Sterne,
Seliger Huld.
MEPHISTOPHELES:
Er schlaft! So recht, ihr luft'gen zarten Jungen!
Ihr habt ihn treulich eingesungen!
Fur dies Konzert bin ich in eurer Schuld.
Du bist noch nicht der Mann, den Teufel festzuhalten!
Umgaukelt ihn mit sussen Traumgestalten,
Versenkt ihn in ein Meer des Wahns;
Doch dieser Schwelle Zauber zu zerspalten,
Bedarf ich eines Rattenzahns.
Nicht lange brauch ich zu beschworen,
Schon raschelt eine hier und wird sogleich mich horen.
Der Herr der Ratten und der Mause,
Der Fliegen, Frosche, Wanzen, Lause
Befiehlt dir, dich hervor zu wagen
Und diese Schwelle zu benagen,
So wie er sie mit Ol betupft-
Da kommst du schon hervorgehupft!
Nur frisch ans Werk! Die Spitze, die mich bannte,
Sie sitzt ganz vornen an der Kante.
Noch einen Biss, so ist's geschehn. -
Nun, Fauste, traume fort, bis wir uns wiedersehn.
FAUST (erwachend):
Bin ich denn abermals betrogen?
Verschwindet so der geisterreiche Drang
Dass mir ein Traum den Teufel vorgelogen,
Und dass ein Pudel mir entsprang?
Studierzimmer
Faust. Mephistopheles.
FAUST:
Es klopft? Herein! Wer will mich wieder plagen?
MEPHISTOPHELES:
Ich bin's.
FAUST:
Herein!
MEPHISTOPHELES:
Du musst es dreimal sagen.
FAUST:
Herein denn!
MEPHISTOPHELES:
So gefallst du mir. Wir werden, hoff ich, uns vertragen;
Denn dir die Grillen zu verjagen,
Bin ich als edler Junker hier,
In rotem, goldverbramtem Kleide,
Das Mantelchen von starrer Seide,
Die Hahnenfeder auf dem Hut,
Mit einem langen, spitzen Degen,
Und rate nun dir, kurz und gut,
Dergleichen gleichfalls anzulegen;
Damit du, losgebunden, frei,
Erfahrest, was das Leben sei.
FAUST:
In jedem Kleide werd ich wohl die Pein
Des engen Erdelebens fuhlen.
Ich bin zu alt, um nur zu spielen,
Zu jung, um ohne Wunsch zu sein.
Was kann die Welt mir wohl gewahren?
Entbehren sollst du! sollst entbehren!
Das ist der ewige Gesang,
Der jedem an die Ohren klingt,
Den, unser ganzes Leben lang,
Uns heiser jede Stunde singt.
Nur mit Entsetzen wach ich morgens auf,
Ich mochte bittre Tranen weinen,
Den Tag zu sehn, der mir in seinem Lauf
Nicht einen Wunsch erfullen wird, nicht einen,
Der selbst die Ahnung jeder Lust
Mit eigensinnigem Krittel mindert,
Die Schopfung meiner regen Brust
Mit tausend Lebensfratzen hindert.
Auch muss ich, wenn die Nacht sich niedersenkt,
Mich angstlich auf das Lager strecken;
Auch da wird keine Rast geschenkt,
Mich werden wilde Traume schrecken.
Der Gott, der mir im Busen wohnt,
Kann tief mein Innerstes erregen;
Der uber allen meinen Kraften thront,
Er kann nach aussen nichts bewegen;
Und so ist mir das Dasein eine Last,
Der Tod erwunscht, das Leben mir verhasst.
MEPHISTOPHELES:
Und doch ist nie der Tod ein ganz willkommner Gast.
FAUST:
O selig der, dem er im Siegesglanze
Die blut'gen Lorbeern um die Schlafe windet,
Den er, nach rasch durchrastem Tanze,
In eines Madchens Armen findet!
O war ich vor des hohen Geistes Kraft
Entzuckt, entseelt dahin gesunken!
MEPHISTOPHELES:
Und doch hat jemand einen braunen Saft,
In jener Nacht, nicht ausgetrunken.
FAUST:
Das Spionieren, scheint's, ist deine Lust.
MEPHISTOPHELES:
Allwissend bin ich nicht; doch viel ist mir bewusst.
FAUST:
Wenn aus dem schrecklichen Gewuhle
Ein suss bekannter Ton mich zog,
Den Rest von kindlichem Gefuhle
Mit Anklang froher Zeit betrog,
So fluch ich allem, was die Seele
Mit Lock- und Gaukelwerk umspannt,
Und sie in diese Trauerhohle
Mit Blend- und Schmeichelkraften bannt!
Verflucht voraus die hohe Meinung
Womit der Geist sich selbst umfangt!
Verflucht das Blenden der Erscheinung,
Die sich an unsre Sinne drangt!
Verflucht, was uns in Traumen heuchelt
Des Ruhms, der Namensdauer Trug!
Verflucht, was als Besitz uns schmeichelt,
Als Weib und Kind, als Knecht und Pflug!
Verflucht sei Mammon, wenn mit Schatzen
Er uns zu kuhnen Taten regt,
Wenn er zu mussigem Ergetzen
Die Polster uns zurechte legt!
Fluch sei dem Balsamsaft der Trauben!
Fluch jener hochsten Liebeshuld!
Fluch sei der Hoffnung! Fluch dem Glauben,
Und Fluch vor allen der Geduld!
GEISTERCHOR (unsichtbar):
Weh! weh!
Du hast sie zerstort
Die schone Welt,
Mit machtiger Faust;
Sie sturzt, sie zerfallt!
Ein Halbgott hat sie zerschlagen!
Wir tragen
Die Trummern ins Nichts hinuber,
Und klagen
Uber die verlorne Schone.
Machtiger
Der Erdensohne,
Prachtiger
Baue sie wieder,
In deinem Busen baue sie auf!
Neuen Lebenslauf
Beginne,
Mit hellem Sinne,
Und neue Lieder
Tonen darauf!
MEPHISTOPHELES:
Dies sind die Kleinen
Von den Meinen.
Hore, wie zu Lust und Taten
Altklug sie raten!
In die Welt weit,
Aus der Einsamkeit
Wo Sinnen und Safte stocken,
Wollen sie dich locken. Hor auf, mit deinem Gram zu spielen,
Der, wie ein Geier, dir am Leben frisst;
Die schlechteste Gesellschaft lasst dich fuhlen,
Dass du ein Mensch mit Menschen bist.
Doch so ist's nicht gemeint
Dich unter das Pack zu stossen.
Ich bin keiner von den Grossen;
Doch willst du, mit mir vereint,
Deine Schritte durchs Leben nehmen,
So will ich mich gern bequemen,
Dein zu sein, auf der Stelle.
Ich bin dein Geselle,
Und mach ich dir's recht,
Bin ich dein Diener, bin dein Knecht!
FAUST:
Und was soll ich dagegen dir erfullen?
MEPHISTOPHELES:
Dazu hast du noch eine lange Frist.
FAUST:
Nein, nein! der Teufel ist ein Egoist
Und tut nicht leicht um Gottes willen,
Was einem andern nutzlich ist.
Sprich die Bedingung deutlich aus;
Ein solcher Diener bringt Gefahr ins Haus.
MEPHISTOPHELES:
Ich will mich hier zu deinem Dienst verbinden,
Auf deinen Wink nicht rasten und nicht ruhn;
Wenn wir uns druben wiederfinden,
So sollst du mir das gleiche tun.
FAUST:
Das Druben kann mich wenig kummern;
Schlagst du erst diese Welt zu Trummern,
Die andre mag darnach entstehn.
Aus dieser Erde quillen meine Freuden,
Und diese Sonne scheinet meinen Leiden;
Kann ich mich erst von ihnen scheiden,
Dann mag, was will und kann, geschehn.
Davon will ich nichts weiter horen,
Ob man auch kunftig hasst und liebt,
Und ob es auch in jenen Spharen
Ein Oben oder Unten gibt.
MEPHISTOPHELES:
In diesem Sinne kannst du's wagen.
Verbinde dich; du sollst, in diesen Tagen,
Mit Freuden meine Kunste sehn,
Ich gebe dir, was noch kein Mensch gesehn.
FAUST:
Was willst du armer Teufel geben?
Ward eines Menschen Geist, in seinem hohen Streben,
Von deinesgleichen je gefasst?
Doch hast du Speise, die nicht sattigt, hast
Du rotes Gold, das ohne Rast,
Quecksilber gleich, dir in der Hand zerrinnt,
Ein Spiel, bei dem man nie gewinnt,
Ein Madchen, das an meiner Brust
Mit Augeln schon dem Nachbar sich verbindet,
Der Ehre schone Gotterlust,
Die, wie ein Meteor, verschwindet?
Zeig mir die Frucht, die fault, eh man sie bricht,
Und Baume, die sich taglich neu begrunen!
MEPHISTOPHELES:
Ein solcher Auftrag schreckt mich nicht,
Mit solchen Schatzen kann ich dienen.
Doch, guter Freund, die Zeit kommt auch heran,
Wo wir was Guts in Ruhe schmausen mogen.
FAUST:
Werd ich beruhigt je mich auf ein Faulbett legen,
So sei es gleich um mich getan!
Kannst du mich schmeichelnd je belugen,
Dass ich mir selbst gefallen mag,
Kannst du mich mit Genuss betrugen-
Das sei fur mich der letzte Tag!
Die Wette biet ich!
MEPHISTOPHELES:
Topp!
FAUST:
Und Schlag auf Schlag! Werd ich zum Augenblicke sagen:
Verweile doch! du bist so schon!
Dann magst du mich in Fesseln schlagen,
Dann will ich gern zugrunde gehn!
Dann mag die Totenglocke schallen,
Dann bist du deines Dienstes frei,
Die Uhr mag stehn, der Zeiger fallen,
Es sei die Zeit fur mich vorbei!
MEPHISTOPHELES:
Bedenk es wohl, wir werden's nicht vergessen.
FAUST:
Dazu hast du ein volles Recht;
Ich habe mich nicht freventlich vermessen.
Wie ich beharre, bin ich Knecht,
Ob dein, was frag ich, oder wessen.
MEPHISTOPHELES:
Ich werde heute gleich, beim Doktorschmaus,
Als Diener meine Pflicht erfullen.
Nur eins! - Um Lebens oder Sterbens willen
Bitt ich mir ein paar Zeilen aus.
FAUST:
Auch was Geschriebnes forderst du Pedant?
Hast du noch keinen Mann, nicht Manneswort gekannt?
Ist's nicht genug, dass mein gesprochnes Wort
Auf ewig soll mit meinen Tagen schalten?
Rast nicht die Welt in allen Stromen fort,
Und mich soll ein Versprechen halten?
Doch dieser Wahn ist uns ins Herz gelegt,
Wer mag sich gern davon befreien?
Begluckt, wer Treue rein im Busen tragt,
Kein Opfer wird ihn je gereuen!
Allein ein Pergament, beschrieben und bepragt,
Ist ein Gespenst, vor dem sich alle scheuen.
Das Wort erstirbt schon in der Feder,
Die Herrschaft fuhren Wachs und Leder.
Was willst du boser Geist von mir?
Erz, Marmor, Pergament, Papier?
Soll ich mit Griffel, Meissel, Feder schreiben?
Ich gebe jede Wahl dir frei.
MEPHISTOPHELES:
Wie magst du deine Rednerei
Nur gleich so hitzig ubertreiben?
Ist doch ein jedes Blattchen gut.
Du unterzeichnest dich mit einem Tropfchen Blut.
FAUST:
Wenn dies dir vollig Gnuge tut,
So mag es bei der Fratze bleiben.
MEPHISTOPHELES:
Blut ist ein ganz besondrer Saft.
FAUST:
Nur keine Furcht, dass ich dies Bundnis breche!
Das Streben meiner ganzen Kraft
Ist grade das, was ich verspreche.
Ich habe mich zu hoch geblaht,
In deinen Rang gehor ich nur.
Der grosse Geist hat mich verschmaht,
Vor mir verschliesst sich die Natur
Des Denkens Faden ist zerrissen
Mir ekelt lange vor allem Wissen.
Lass in den Tiefen der Sinnlichkeit
Uns gluhende Leidenschaften stillen!
In undurchdrungnen Zauberhullen
Sei jedes Wunder gleich bereit!
Sturzen wir uns in das Rauschen der Zeit,
Ins Rollen der Begebenheit!
Da mag denn Schmerz und Genuss,
Gelingen und Verdruss
Miteinander wechseln, wie es kann;
Nur rastlos betatigt sich der Mann.
MEPHISTOPHELES:
Euch ist kein Mass und Ziel gesetzt.
Beliebt's Euch, uberall zu naschen,
Im Fliehen etwas zu erhaschen,
Bekomm Euch wohl, was Euch ergetzt.
Nur greift mir zu und seid nicht blode!
FAUST:
Du horest ja, von Freud' ist nicht die Rede.
Dem Taumel weih ich mich, dem schmerzlichsten Genuss,
Verliebtem Hass, erquickendem Verdruss.
Mein Busen, der vom Wissensdrang geheilt ist,
Soll keinen Schmerzen kunftig sich verschliessen,
Und was der ganzen Menschheit zugeteilt ist,
Will ich in meinem innern Selbst geniessen,
Mit meinem Geist das Hochst' und Tiefste greifen,
Ihr Wohl und Weh auf meinen Busen haufen,
Und so mein eigen Selbst zu ihrem Selbst erweitern,
Und, wie sie selbst, am End auch ich zerscheitern.
MEPHISTOPHELES:
O glaube mir, der manche tausend Jahre
An dieser harten Speise kaut
Dass von der Wiege bis zur Bahre
Kein Mensch den alten Sauerteig verdaut!
Glaub unsereinem, dieses Ganze
Ist nur fur einen Gott gemacht!
Er findet sich in einem ew'gen Glanze
Uns hat er in die Finsternis gebracht,
Und euch taugt einzig Tag und Nacht.
FAUST:
Allein ich will!
MEPHISTOPHELES:
Das lasst sich horen! Doch nur vor einem ist mir bang:
Die Zeit ist kurz, die Kunst ist lang.
Ich dacht, ihr liesset Euch belehren.
Assoziiert Euch mit einem Poeten,
Lasst den Herrn in Gedanken schweifen,
Und alle edlen Qualitaten
Auf Euren Ehrenscheitel haufen,
Des Lowen Mut,
Des Hirsches Schnelligkeit,
Des Italieners feurig Blut,
Des Nordens Dau'rbarkeit.
Lasst ihn Euch das Geheimnis finden,
Grossmut und Arglist zu verbinden,
Und Euch, mit warmen Jugendtrieben,
Nach einem Plane zu verlieben.
Mochte selbst solch einen Herren kennen,
Wurd ihn Herrn Mikrokosmus nennen.
FAUST:
Was bin ich denn, wenn es nicht moglich ist,
Der Menschheit Krone zu erringen,
Nach der sich alle Sinne dringen?
MEPHISTOPHELES:
Du bist am Ende- was du bist.
Setz dir Perucken auf von Millionen Locken,
Setz deinen Fuss auf ellenhohe Socken,
Du bleibst doch immer, was du bist.
FAUST:
Ich fuhl's, vergebens hab ich alle Schatze
Des Menschengeists auf mich herbeigerafft,
Und wenn ich mich am Ende niedersetze,
Quillt innerlich doch keine neue Kraft;
Ich bin nicht um ein Haar breit hoher,
Bin dem Unendlichen nicht naher.
MEPHISTOPHELES:
Mein guter Herr, Ihr seht die Sachen,
Wie man die Sachen eben sieht;
Wir mussen das gescheiter machen,
Eh uns des Lebens Freude flieht.
Was Henker! freilich Hand und Fusse
Und Kopf und Hintern, die sind dein;
Doch alles, was ich frisch geniesse,
Ist das drum weniger mein?
Wenn ich sechs Hengste zahlen kann,
Sind ihre Krafte nicht die meine?
Ich renne zu und bin ein rechter Mann,
Als hatt ich vierundzwanzig Beine.
Drum frisch! Lass alles Sinnen sein,
Und grad mit in die Welt hinein!
Ich sag es dir: ein Kerl, der spekuliert,
Ist wie ein Tier, auf durrer Heide
Von einem bosen Geist im Kreis herum gefuhrt,
Und rings umher liegt schone grune Weide.
FAUST:
Wie fangen wir das an?
MEPHISTOPHELES:
Wir gehen eben fort. Was ist das fur ein Marterort?
Was heisst das fur ein Leben fuhren,
Sich und die Jungens ennuyieren?
Lass du das dem Herrn Nachbar Wanst!
Was willst du dich das Stroh zu dreschen plagen?
Das Beste, was du wissen kannst,
Darfst du den Buben doch nicht sagen.
Gleich hor ich einen auf dem Gange!
FAUST:
Mir ist's nicht moglich, ihn zu sehn.
MEPHISTOPHELES:
Der arme Knabe wartet lange,
Der darf nicht ungetrostet gehn.
Komm, gib mir deinen Rock und Mutze;
Die Maske muss mir kostlich stehn. (Er kleidet sich um. )
Nun uberlass es meinem Witze!
Ich brauche nur ein Viertelstundchen Zeit;
Indessen mache dich zur schonen Fahrt bereit!
(Faust ab. )
MEPHISTOPHELES (in Fausts langem Kleide):
Verachte nur Vernunft und Wissenschaft,
Des Menschen allerhochste Kraft,
Lass nur in Blend- und Zauberwerken
Dich von dem Lugengeist bestarken,
So hab ich dich schon unbedingt-
Ihm hat das Schicksal einen Geist gegeben,
Der ungebandigt immer vorwarts dringt,
Und dessen ubereiltes Streben
Der Erde Freuden uberspringt.
Den schlepp ich durch das wilde Leben,
Durch flache Unbedeutenheit,
Er soll mir zappeln, starren, kleben,
Und seiner Unersattlichkeit
Soll Speis und Trank vor gier'gen Lippen schweben;
Er wird Erquickung sich umsonst erflehn,
Und hatt er sich auch nicht dem Teufel ubergeben,
Er musste doch zugrunde gehn!
(Ein SCHULER tritt auf. )
SCHULER:
Ich bin allhier erst kurze Zeit,
Und komme voll Ergebenheit,
Einen Mann zu sprechen und zu kennen,
Den alle mir mit Ehrfucht nennen.
MEPHISTOPHELES:
Eure Hoflichkeit erfreut mich sehr!
Ihr seht einen Mann wie andre mehr.
Habt Ihr Euch sonst schon umgetan?
SCHULER:
Ich bitt Euch, nehmt Euch meiner an!
Ich komme mit allem guten Mut,
Leidlichem Geld und frischem Blut;
Meine Mutter wollte mich kaum entfernen;
Mochte gern was Rechts hieraussen lernen.
MEPHISTOPHELES:
Da seid Ihr eben recht am Ort.
SCHULER:
Aufrichtig, mochte schon wieder fort:
In diesen Mauern, diesen Hallen
Will es mir keineswegs gefallen.
Es ist ein gar beschrankter Raum,
Man sieht nichts Grunes, keinen Baum,
Und in den Salen, auf den Banken,
Vergeht mir Horen, Sehn und Denken.
MEPHISTOPHELES:
Das kommt nur auf Gewohnheit an.
So nimmt ein Kind der Mutter Brust
Nicht gleich im Anfang willig an,
Doch bald ernahrt es sich mit Lust.
So wird's Euch an der Weisheit Brusten
Mit jedem Tage mehr gelusten.
SCHULER:
An ihrem Hals will ich mit Freuden hangen;
Doch sagt mir nur, wie kann ich hingelangen?
MEPHISTOPHELES:
Erklart Euch, eh Ihr weiter geht,
Was wahlt Ihr fur eine Fakultat?
SCHULER:
Ich wunschte recht gelehrt zu werden,
Und mochte gern, was auf der Erden
Und in dem Himmel ist, erfassen,
Die Wissenschaft und die Natur.
MEPHISTOPHELES:
Da seid Ihr auf der rechten Spur;
Doch musst Ihr Euch nicht zerstreuen lassen.
SCHULER:
Ich bin dabei mit Seel und Leib;
Doch freilich wurde mir behagen
Ein wenig Freiheit und Zeitvertreib
An schonen Sommerfeiertagen.
MEPHISTOPHELES:
Gebraucht der Zeit, sie geht so schnell von hinnen,
Doch Ordnung lehrt Euch Zeit gewinnen.
Mein teurer Freund, ich rat Euch drum
Zuerst Collegium Logicum.
Da wird der Geist Euch wohl dressiert,
In spanische Stiefeln eingeschnurt,
Dass er bedachtiger so fortan
Hinschleiche die Gedankenbahn,
Und nicht etwa, die Kreuz und Quer,
Irrlichteliere hin und her.
Dann lehret man Euch manchen Tag,
Dass, was Ihr sonst auf einen Schlag
Getrieben, wie Essen und Trinken frei,
Eins! Zwei! Drei! dazu notig sei.
Zwar ist's mit der Gedankenfabrik
Wie mit einem Weber-Meisterstuck,
Wo ein Tritt tausend Faden regt,
Die Schifflein heruber hinuber schiessen,
Die Faden ungesehen fliessen,
Ein Schlag tausend Verbindungen schlagt.
Der Philosoph, der tritt herein
Und beweist Euch, es musst so sein:
Das Erst war so, das Zweite so,
Und drum das Dritt und Vierte so;
Und wenn das Erst und Zweit nicht war,
Das Dritt und Viert war nimmermehr.
Das preisen die Schuler allerorten,
Sind aber keine Weber geworden.
Wer will was Lebendigs erkennen und beschreiben,
Sucht erst den Geist heraus zu treiben,
Dann hat er die Teile in seiner Hand,
Fehlt, leider! nur das geistige Band.
Encheiresin naturae nennt's die Chemie,
Spottet ihrer selbst und weiss nicht wie.
SCHULER:
Kann Euch nicht eben ganz verstehen.
MEPHISTOPHELES:
Das wird nachstens schon besser gehen,
Wenn Ihr lernt alles reduzieren
Und gehorig klassifizieren.
SCHULER:
Mir wird von alledem so dumm,
Als ging, mir ein Muhlrad im Kopf herum.
MEPHISTOPHELES:
Nachher, vor allen andern Sachen,
Musst Ihr Euch an die Metaphysik machen!
Da seht, dass Ihr tiefsinnig fasst,
Was in des Menschen Hirn nicht passt;
Fur was drein geht und nicht drein geht,
Ein prachtig Wort zu Diensten steht.
Doch vorerst dieses halbe Jahr
Nehmt ja der besten Ordnung wahr.
Funf Stunden habt Ihr jeden Tag;
Seid drinnen mit dem Glockenschlag!
Habt Euch vorher wohl prapariert,
Paragraphos wohl einstudiert,
Damit Ihr nachher besser seht,
Dass er nichts sagt, als was im Buche steht;
Doch Euch des Schreibens ja befleisst,
Als diktiert, Euch der Heilig Geist!
SCHULER:
Das sollt Ihr mir nicht zweimal sagen!
Ich denke mir, wie viel es nutzt
Denn, was man schwarz auf weiss besitzt,
Kann man getrost nach Hause tragen.
MEPHISTOPHELES:
Doch wahlt mir eine Fakultat!
SCHULER:
Zur Rechtsgelehrsamkeit kann ich mich nicht bequemen.
MEPHISTOPHELES:
Ich kann es Euch so sehr nicht ubel nehmen,
Ich weiss, wie es um diese Lehre steht.
Es erben sich Gesetz' und Rechte
Wie eine ew'ge Krankheit fort;
Sie schleppen von Geschlecht sich zum Geschlechte,
Und rucken sacht von Ort zu Ort.
Vernunft wird Unsinn, Wohltat Plage;
Weh dir, dass du ein Enkel bist!
Vom Rechte, das mit uns geboren ist,
Von dem ist, leider! nie die Frage.
SCHULER:
Mein Abscheu wird durch Euch vermehrt.
O glucklich der, den Ihr belehrt!
Fast mocht ich nun Theologie studieren.
MEPHISTOPHELES:
Ich wunschte nicht, Euch irre zu fuhren.
Was diese Wissenschaft betrifft,
Es ist so schwer, den falschen Weg zu meiden,
Es liegt in ihr so viel verborgnes Gift,
Und von der Arzenei ist's kaum zu unterscheiden.
Am besten ist's auch hier, wenn Ihr nur einen hort,
Und auf des Meisters Worte schwort.
Im ganzen- haltet Euch an Worte!
Dann geht Ihr durch die sichre Pforte
Zum Tempel der Gewissheit ein.
SCHULER:
Doch ein Begriff muss bei dem Worte sein.
MEPHISTOPHELES:
Schon gut! Nur muss man sich nicht allzu angstlich qualen
Denn eben wo Begriffe fehlen,
Da stellt ein Wort zur rechten Zeit sich ein.
Mit Worten lasst sich trefflich streiten,
Mit Worten ein System bereiten,
An Worte lasst sich trefflich glauben,
Von einem Wort lasst sich kein Jota rauben.
SCHULER:
Verzeiht, ich halt Euch auf mit vielen Fragen,
Allem ich muss Euch noch bemuhn.
Wollt Ihr mir von der Medizin
Nicht auch ein kraftig Wortchen sagen?
Drei Jahr ist eine kurze Zeit,
Und, Gott! das Feld ist gar zu weit.
Wenn man einen Fingerzeig nur hat,
Lasst sich's schon eher weiter fuhlen.
MEPHISTOPHELES (fur sich):
Ich bin des trocknen Tons nun satt,
Muss wieder recht den Teufel spielen.
(Laut. ) Der Geist der Medizin ist leicht zu fassen;
Ihr durchstudiert die gross, und kleine Welt,
Um es am Ende gehn zu lassen,
Wie's Gott gefallt.
Vergebens, dass Ihr ringsum wissenschaftlich schweift,
Ein jeder lernt nur, was er lernen kann;
Doch der den Augenblick ergreift,
Das ist der rechte Mann.
Ihr seid noch ziemlich wohl gebaut,
An Kuhnheit wird's Euch auch nicht fehlen,
Und wenn Ihr Euch nur selbst vertraut,
Vertrauen Euch die andern Seelen.
Besonders lernt die Weiber fuhren;
Es ist ihr ewig Weh und Ach
So tausendfach
Aus einem Punkte zu kurieren,
Und wenn Ihr halbweg ehrbar tut,
Dann habt Ihr sie all unterm Hut.
Ein Titel muss sie erst vertraulich machen,
Dass Eure Kunst viel Kunste ubersteigt;
Zum Willkomm tappt Ihr dann nach allen Siebensachen,
Um die ein andrer viele Jahre streicht,
Versteht das Pulslein wohl zu drucken,
Und fasset sie, mit feurig schlauen Blicken,
Wohl um die schlanke Hufte frei,
Zu sehn, wie fest geschnurt sie sei.
SCHULER:
Das sieht schon besser aus! Man sieht doch, wo und wie.
MEPHISTOPHELES:
Grau, teurer Freund, ist alle Theorie,
Und grun des Lebens goldner Baum.
SCHULER:
Ich schwor Euch zu, mir ist's als wie ein Traum.
Durft ich Euch wohl ein andermal beschweren,
Von Eurer Weisheit auf den Grund zu horen?
MEPHISTOPHELES:
Was ich vermag, soll gern geschehn.
SCHULER:
Ich kann unmoglich wieder gehn,
Ich muss Euch noch mein Stammbuch uberreichen,
Gonn Eure Gunst mir dieses Zeichen!
MEPHISTOPHELES:
Sehr wohl.
(Er schreibt und gibt's. )
SCHULER (liest):
Eritis sicut Deus, scientes bonum et malum.
(Macht's ehrerbietig zu und empfiehlt sich. )
MEPHISTOPHELES:
Folg nur dem alten Spruch und meiner Muhme, der Schlange,
Dir wird gewiss einmal bei deiner Gottahnlichkeit bange!
(Faust tritt auf. )
FAUST:
Wohin soll es nun gehn?
MEPHISTOPHELES:
Wohin es dir gefallt.
Wir sehn die kleine, dann die grosse Welt.
Mit welcher Freude, welchem Nutzen
Wirst du den Cursum durchschmarutzen!
FAUST:
Allein bei meinem langen Bart
Fehlt mir die leichte Lebensart.
Es wird mir der Versuch nicht glucken;
Ich wusste nie mich in die Welt zu schicken.
Vor andern fuhl ich mich so klein;
Ich werde stets verlegen sein.
MEPHISTOPHELES:
Mein guter Freund, das wird sich alles geben;
Sobald du dir vertraust, sobald weisst du zu leben.
FAUST:
Wie kommen wir denn aus dem Haus?
Wo hast du Pferde, Knecht und Wagen?
MEPHISTOPHELES:
Wir breiten nur den Mantel aus,
Der soll uns durch die Lufte tragen.
Du nimmst bei diesem kuhnen Schritt
Nur keinen grossen Bundel mit.
Ein bisschen Feuerluft, die ich bereiten werde,
Hebt uns behend von dieser Erde.
Und sind wir leicht, so geht es schnell hinauf;
Ich gratuliere dir zum neuen Lebenslauf!
Auerbachs Keller in Leipzig
Zeche lustiger Gesellen.
FROSCH:
Will keiner trinken? keiner lachen?
Ich will euch lehren Gesichter machen!
Ihr seid ja heut wie nasses Stroh,
Und brennt sonst immer lichterloh.
BRANDER:
Das liegt an dir; du bringst ja nichts herbei,
Nicht eine Dummheit, keine Sauerei.
FROSCH (giesst ihm ein Glas Wein uber den Kopf):
Da hast du beides!
BRANDER:
Doppelt Schwein!
FROSCH:
Ihr wollt es ja, man soll es sein!
SIEBEL:
Zur Tur hinaus, er sich entzweit!
Mit offner Brust singt Runda, sauft und schreit!
Auf! Holla! Ho!
ALTMAYER:
Weh mir, ich bin verloren! Baumwolle her! der Kerl sprengt mir die Ohren.
SIEBEL:
Wenn das Gewolbe widerschallt,
Fuhlt man erst recht des Basses Grundgewalt.
FROSCH:
So recht, hinaus mit dem, der etwas ubel nimmt!
A! tara lara da!
ALTMAYER:
A! tara lara da!
FROSCH:
Die Kehlen sind gestimmt.
(Singt. )
Das liebe Heil'ge Rom'sche Reich,
Wie halt's nur noch zusammen?
BRANDER:
Ein garstig Lied! Pfui! ein politisch Lied
Ein leidig Lied! Dankt Gott mit jedem Morgen,
Dass ihr nicht braucht furs Rom'sche Reich zu sorgen!
Ich halt es wenigstens fur reichlichen Gewinn,
Dass ich nicht Kaiser oder Kanzler bin.
Doch muss auch uns ein Oberhaupt nicht fehlen;
Wir wollen einen Papst erwahlen.
Ihr wisst, welch eine Qualitat
Den Ausschlag gibt, den Mann erhoht.
FROSCH (singt):
Schwing dich auf, Frau Nachtigall,
Gruss mir mein Liebchen zehentausendmal.
SIEBEL:
Dem Liebchen keinen Gruss! ich will davon nichts horen!
FROSCH:
Dem Liebchen Gruss und Kuss! du wirst mir's nicht verwehren!
(Singt. )
Riegel auf! in stiller Nacht.
Riegel auf! der Liebste wacht.
Riegel zu! des Morgens fruh.
SIEBEL:
Ja, singe, singe nur und lob und ruhme sie!
Ich will zu meiner Zeit schon lachen.
Sie hat mich angefuhrt, dir wird sie's auch so machen.
Zum Liebsten sei ein Kobold ihr beschert!
Der mag mit ihr auf einem Kreuzweg schakern;
Ein alter Bock, wenn er vom Blocksberg kehrt,
Mag im Galopp noch gute Nacht ihr meckern!
Ein braver Kerl von echtem Fleisch und Blut
Ist fur die Dirne viel zu gut.
Ich will von keinem Grusse wissen,
Als ihr die Fenster eingeschmissen
BRANDER (auf den Tisch schlagend):
Passt auf! passt auf! Gehorchet mir!
Ihr Herrn, gesteht, ich weiss zu leben
Verliebte Leute sitzen hier,
Und diesen muss, nach Standsgebuhr,
Zur guten Nacht ich was zum besten geben.
Gebt acht! Ein Lied vom neusten Schnitt!
Und singt den Rundreim kraftig mit!
(Er singt. )
Es war eine Ratt im Kellernest,
Lebte nur von Fett und Butter,
Hatte sich ein Ranzlein angemast't,
Als wie der Doktor Luther.
Die Kochin hatt ihr Gift gestellt;
Da ward's so eng ihr in der Welt,
Als hatte sie Lieb im Leibe.
CHORUS (jauchzend):
Als hatte sie Lieb im Leibe.
BRANDER:
Sie fuhr herum, sie fuhr heraus,
Und soff aus allen Pfutzen,
Zernagt', zerkratzt, das ganze Haus,
Wollte nichts ihr Wuten nutzen;
Sie tat gar manchen Angstesprung,
Bald hatte das arme Tier genung,
Als hatt es Lieb im Leibe.
CHORUS:
Als hatt es Lieb im Leibe.
BRANDER:
Sie kam vor Angst am hellen Tag
Der Kuche zugelaufen,
Fiel an den Herd und zuckt, und lag,
Und tat erbarmlich schnaufen.
Da lachte die Vergifterin noch:
Ha! sie pfeift auf dem letzten Loch,
Als hatte sie Lieb im Leibe.
CHORUS:
Als hatte sie Lieb im Leibe.
SIEBEL:
Wie sich die platten Bursche freuen!
Es ist mir eine rechte Kunst,
Den armen Ratten Gift zu streuen!
BRANDER:
Sie stehn wohl sehr in deiner Gunst?
ALTMAYER:
Der Schmerbauch mit der kahlen Platte!
