BRANDER:
Ich will Champagner Wein Und recht moussierend soll er sein!
Ich will Champagner Wein Und recht moussierend soll er sein!
Goethe - Faust- Der Tragödie erster Teil
Mit Worten lasst sich trefflich streiten,
Mit Worten ein System bereiten,
An Worte lasst sich trefflich glauben,
Von einem Wort lasst sich kein Jota rauben.
SCHULER:
Verzeiht, ich halt Euch auf mit vielen Fragen,
Allem ich muss Euch noch bemuhn.
Wollt Ihr mir von der Medizin
Nicht auch ein kraftig Wortchen sagen?
Drei Jahr ist eine kurze Zeit,
Und, Gott! das Feld ist gar zu weit.
Wenn man einen Fingerzeig nur hat,
Lasst sich's schon eher weiter fuhlen.
MEPHISTOPHELES (fur sich):
Ich bin des trocknen Tons nun satt,
Muss wieder recht den Teufel spielen.
(Laut. ) Der Geist der Medizin ist leicht zu fassen;
Ihr durchstudiert die gross, und kleine Welt,
Um es am Ende gehn zu lassen,
Wie's Gott gefallt.
Vergebens, dass Ihr ringsum wissenschaftlich schweift,
Ein jeder lernt nur, was er lernen kann;
Doch der den Augenblick ergreift,
Das ist der rechte Mann.
Ihr seid noch ziemlich wohl gebaut,
An Kuhnheit wird's Euch auch nicht fehlen,
Und wenn Ihr Euch nur selbst vertraut,
Vertrauen Euch die andern Seelen.
Besonders lernt die Weiber fuhren;
Es ist ihr ewig Weh und Ach
So tausendfach
Aus einem Punkte zu kurieren,
Und wenn Ihr halbweg ehrbar tut,
Dann habt Ihr sie all unterm Hut.
Ein Titel muss sie erst vertraulich machen,
Dass Eure Kunst viel Kunste ubersteigt;
Zum Willkomm tappt Ihr dann nach allen Siebensachen,
Um die ein andrer viele Jahre streicht,
Versteht das Pulslein wohl zu drucken,
Und fasset sie, mit feurig schlauen Blicken,
Wohl um die schlanke Hufte frei,
Zu sehn, wie fest geschnurt sie sei.
SCHULER:
Das sieht schon besser aus! Man sieht doch, wo und wie.
MEPHISTOPHELES:
Grau, teurer Freund, ist alle Theorie,
Und grun des Lebens goldner Baum.
SCHULER:
Ich schwor Euch zu, mir ist's als wie ein Traum.
Durft ich Euch wohl ein andermal beschweren,
Von Eurer Weisheit auf den Grund zu horen?
MEPHISTOPHELES:
Was ich vermag, soll gern geschehn.
SCHULER:
Ich kann unmoglich wieder gehn,
Ich muss Euch noch mein Stammbuch uberreichen,
Gonn Eure Gunst mir dieses Zeichen!
MEPHISTOPHELES:
Sehr wohl.
(Er schreibt und gibt's. )
SCHULER (liest):
Eritis sicut Deus, scientes bonum et malum.
(Macht's ehrerbietig zu und empfiehlt sich. )
MEPHISTOPHELES:
Folg nur dem alten Spruch und meiner Muhme, der Schlange,
Dir wird gewiss einmal bei deiner Gottahnlichkeit bange!
(Faust tritt auf. )
FAUST:
Wohin soll es nun gehn?
MEPHISTOPHELES:
Wohin es dir gefallt.
Wir sehn die kleine, dann die grosse Welt.
Mit welcher Freude, welchem Nutzen
Wirst du den Cursum durchschmarutzen!
FAUST:
Allein bei meinem langen Bart
Fehlt mir die leichte Lebensart.
Es wird mir der Versuch nicht glucken;
Ich wusste nie mich in die Welt zu schicken.
Vor andern fuhl ich mich so klein;
Ich werde stets verlegen sein.
MEPHISTOPHELES:
Mein guter Freund, das wird sich alles geben;
Sobald du dir vertraust, sobald weisst du zu leben.
FAUST:
Wie kommen wir denn aus dem Haus?
Wo hast du Pferde, Knecht und Wagen?
MEPHISTOPHELES:
Wir breiten nur den Mantel aus,
Der soll uns durch die Lufte tragen.
Du nimmst bei diesem kuhnen Schritt
Nur keinen grossen Bundel mit.
Ein bisschen Feuerluft, die ich bereiten werde,
Hebt uns behend von dieser Erde.
Und sind wir leicht, so geht es schnell hinauf;
Ich gratuliere dir zum neuen Lebenslauf!
Auerbachs Keller in Leipzig
Zeche lustiger Gesellen.
FROSCH:
Will keiner trinken? keiner lachen?
Ich will euch lehren Gesichter machen!
Ihr seid ja heut wie nasses Stroh,
Und brennt sonst immer lichterloh.
BRANDER:
Das liegt an dir; du bringst ja nichts herbei,
Nicht eine Dummheit, keine Sauerei.
FROSCH (giesst ihm ein Glas Wein uber den Kopf):
Da hast du beides!
BRANDER:
Doppelt Schwein!
FROSCH:
Ihr wollt es ja, man soll es sein!
SIEBEL:
Zur Tur hinaus, er sich entzweit!
Mit offner Brust singt Runda, sauft und schreit!
Auf! Holla! Ho!
ALTMAYER:
Weh mir, ich bin verloren! Baumwolle her! der Kerl sprengt mir die Ohren.
SIEBEL:
Wenn das Gewolbe widerschallt,
Fuhlt man erst recht des Basses Grundgewalt.
FROSCH:
So recht, hinaus mit dem, der etwas ubel nimmt!
A! tara lara da!
ALTMAYER:
A! tara lara da!
FROSCH:
Die Kehlen sind gestimmt.
(Singt. )
Das liebe Heil'ge Rom'sche Reich,
Wie halt's nur noch zusammen?
BRANDER:
Ein garstig Lied! Pfui! ein politisch Lied
Ein leidig Lied! Dankt Gott mit jedem Morgen,
Dass ihr nicht braucht furs Rom'sche Reich zu sorgen!
Ich halt es wenigstens fur reichlichen Gewinn,
Dass ich nicht Kaiser oder Kanzler bin.
Doch muss auch uns ein Oberhaupt nicht fehlen;
Wir wollen einen Papst erwahlen.
Ihr wisst, welch eine Qualitat
Den Ausschlag gibt, den Mann erhoht.
FROSCH (singt):
Schwing dich auf, Frau Nachtigall,
Gruss mir mein Liebchen zehentausendmal.
SIEBEL:
Dem Liebchen keinen Gruss! ich will davon nichts horen!
FROSCH:
Dem Liebchen Gruss und Kuss! du wirst mir's nicht verwehren!
(Singt. )
Riegel auf! in stiller Nacht.
Riegel auf! der Liebste wacht.
Riegel zu! des Morgens fruh.
SIEBEL:
Ja, singe, singe nur und lob und ruhme sie!
Ich will zu meiner Zeit schon lachen.
Sie hat mich angefuhrt, dir wird sie's auch so machen.
Zum Liebsten sei ein Kobold ihr beschert!
Der mag mit ihr auf einem Kreuzweg schakern;
Ein alter Bock, wenn er vom Blocksberg kehrt,
Mag im Galopp noch gute Nacht ihr meckern!
Ein braver Kerl von echtem Fleisch und Blut
Ist fur die Dirne viel zu gut.
Ich will von keinem Grusse wissen,
Als ihr die Fenster eingeschmissen
BRANDER (auf den Tisch schlagend):
Passt auf! passt auf! Gehorchet mir!
Ihr Herrn, gesteht, ich weiss zu leben
Verliebte Leute sitzen hier,
Und diesen muss, nach Standsgebuhr,
Zur guten Nacht ich was zum besten geben.
Gebt acht! Ein Lied vom neusten Schnitt!
Und singt den Rundreim kraftig mit!
(Er singt. )
Es war eine Ratt im Kellernest,
Lebte nur von Fett und Butter,
Hatte sich ein Ranzlein angemast't,
Als wie der Doktor Luther.
Die Kochin hatt ihr Gift gestellt;
Da ward's so eng ihr in der Welt,
Als hatte sie Lieb im Leibe.
CHORUS (jauchzend):
Als hatte sie Lieb im Leibe.
BRANDER:
Sie fuhr herum, sie fuhr heraus,
Und soff aus allen Pfutzen,
Zernagt', zerkratzt, das ganze Haus,
Wollte nichts ihr Wuten nutzen;
Sie tat gar manchen Angstesprung,
Bald hatte das arme Tier genung,
Als hatt es Lieb im Leibe.
CHORUS:
Als hatt es Lieb im Leibe.
BRANDER:
Sie kam vor Angst am hellen Tag
Der Kuche zugelaufen,
Fiel an den Herd und zuckt, und lag,
Und tat erbarmlich schnaufen.
Da lachte die Vergifterin noch:
Ha! sie pfeift auf dem letzten Loch,
Als hatte sie Lieb im Leibe.
CHORUS:
Als hatte sie Lieb im Leibe.
SIEBEL:
Wie sich die platten Bursche freuen!
Es ist mir eine rechte Kunst,
Den armen Ratten Gift zu streuen!
BRANDER:
Sie stehn wohl sehr in deiner Gunst?
ALTMAYER:
Der Schmerbauch mit der kahlen Platte!
Das Ungluck macht ihn zahm und mild;
Er sieht in der geschwollnen Ratte
Sein ganz naturlich Ebenbild
(Faust und Mephistopheles treten auf. )
MEPHISTOPHELES:
Ich muss dich nun vor allen Dingen
In lustige Gesellschaft bringen,
Damit du siehst, wie leicht sich's leben lasst.
Dem Volke hier wird jeder Tag ein Fest.
Mit wenig Witz und viel Behagen
Dreht jeder sich im engen Zirkeltanz,
Wie junge Katzen mit dem Schwanz.
Wenn sie nicht uber Kopfweh klagen,
So lang der Wirt nur weiter borgt,
Sind sie vergnugt und unbesorgt.
BRANDER:
Die kommen eben von der Reise,
Man sieht's an ihrer wunderlichen Weise;
Sie sind nicht eine Stunde hier.
FROSCH:
Wahrhaftig, du hast recht! Mein Leipzig lob ich mir!
Es ist ein klein Paris, und bildet seine Leute.
SIEBEL:
Fur was siehst du die Fremden an?
FROSCH:
Lass mich nur gehn! Bei einem vollen Glase
Zieh ich, wie einen Kinderzahn,
Den Burschen leicht die Wurmer aus der Nase.
Sie scheinen mir aus einem edlen Haus,
Sie sehen stolz und unzufrieden aus.
BRANDER:
Marktschreier sind's gewiss, ich wette!
ALTMAYER:
Vielleicht.
FROSCH:
Gib acht, ich schraube sie!
MEPHISTOPHELES (zu Faust):
Den Teufel spurt das Volkchen nie,
Und wenn er sie beim Kragen hatte.
FAUST:
Seid uns gegrusst, ihr Herrn!
SIEBEL:
Viel Dank zum Gegengruss.
(Leise, Mephistopheles von der Seite ansehend. )
Was hinkt der Kerl auf einem Fuss?
MEPHISTOPHELES:
Ist es erlaubt, uns auch zu euch zu setzen?
Statt eines guten Trunks, den man nicht haben kann
Soll die Gesellschaft uns ergetzen.
ALTMAYER:
Ihr scheint ein sehr verwohnter Mann.
FROSCH:
Ihr seid wohl spat von Rippach aufgebrochen?
Habt ihr mit Herren Hans noch erst zu Nacht gespeist?
MEPHISTOPHELES:
Heut sind wir ihn vorbeigereist!
Wir haben ihn das letztemal gesprochen.
Von seinen Vettern wusst er viel zu sagen,
Viel Grusse hat er uns an jeden aufgetragen.
(Er neigt sich gegen Frosch. )
ALTMAYER (leise):
Da hast du's! der versteht's!
SIEBEL:
Ein pfiffiger Patron!
FROSCH:
Nun, warte nur, ich krieg ihn schon!
MEPHISTOPHELES:
Wenn ich nicht irrte, horten wir
Geubte Stimmen Chorus singen?
Gewiss, Gesang muss trefflich hier
Von dieser Wolbung widerklingen!
FROSCH:
Seid Ihr wohrgar ein Virtuos?
MEPHISTOPHELES:
O nein! die Kraft ist schwach, allein die Lust ist gross.
ALTMAYER:
Gebt uns ein Lied!
MEPHISTOPHELES:
Wenn ihr begehrt, die Menge.
SIEBEL:
Nur auch ein nagelneues Stuck!
MEPHISTOPHELES:
Wir kommen erst aus Spanien zuruck,
Dem schonen Land des Weins und der Gesange.
(Singt).
Es war einmal ein Konig,
Der hatt einen grossen Floh-
FROSCH:
Horcht! Einen Froh! Habt ihr das wohl gefasst?
Ein Floh ist mir ein saubrer Gast.
MEPHISTOPHELES (singt):
Es war einmal ein Konig
Der hatt einen grossen Floh,
Den liebt, er gar nicht wenig,
Als wie seinen eignen Sohn.
Da rief er seinen Schneider,
Der Schneider kam heran:
Da, miss dem Junker Kleider
Und miss ihm Hosen an!
BRANDER:
Vergesst nur nicht, dem Schneider einzuscharfen,
Dass er mir aufs genauste misst,
Und dass, so lieb sein Kopf ihm ist,
Die Hosen keine Falten werfen!
MEPHISTOPHELES:
In Sammet und in Seide
War er nun angetan
Hatte Bander auf dem Kleide,
Hatt auch ein Kreuz daran
Und war sogleich Minister,
Und hatt einen grossen Stern.
Da wurden seine Geschwister
Bei Hof auch grosse Herrn.
Und Herrn und Fraun am Hofe,
Die waren sehr geplagt,
Die Konigin und die Zofe
Gestochen und genagt,
Und durften sie nicht knicken,
Und weg sie jucken nicht.
Wir knicken und ersticken
Doch gleich, wenn einer sticht.
CHORUS (jauchzend):
Wir knicken und ersticken
Doch gleich, wenn einer sticht.
FROSCH:
Bravo! Bravo! Das war schon!
SIEBEL:
So soll es jedem Floh ergehn!
BRANDER:
Spitzt die Finger und packt sie fein!
ALTMAYER:
Es lebe die Freiheit! Es lebe der Wein!
MEPHISTOPHELES:
Ich tranke gern ein Glas, die Freiheit hoch zu ehren,
Wenn eure Weine nur ein bisschen besser waren.
SIEBEL:
Wir mogen das nicht wieder horen!
MEPHISTOPHELES:
Ich furchte nur, der Wirt beschweret sich;
Sonst gab ich diesen werten Gasten
Aus unserm Keller was zum besten.
SIEBEL:
Nur immer her! ich nehm's auf mich.
FROSCH:
Schafft Ihr ein gutes Glas, so wollen wir Euch loben.
Nur gebt nicht gar zu kleine Proben
Denn wenn ich judizieren soll,
Verlang ich auch das Maul recht voll.
ALTMAYER (leise):
Sie sind vom Rheine, wie ich spure.
MEPHISTOPHELES:
Schafft einen Bohrer an!
BRANDER:
Was soll mit dem geschehn? Ihr habt doch nicht die Fasser vor der Ture?
ALTMAYER:
Dahinten hat der Wirt ein Korbchen Werkzeug stehn.
MEPHISTOPHELES (nimmt den Bohrer. Zu Frosch):
Nun sagt, was wunschet Ihr zu schmecken?
FROSCH:
Wie meint Ihr das? Habt Ihr so mancherlei?
MEPHISTOPHELES:
Ich stell es einem jeden frei.
ALTMAYER (zu Frosch):
Aha! du fangst schon an, die Lippen abzulecken.
FROSCH:
Gut! wenn ich wahlen soll, so will ich Rheinwein haben.
Das Vaterland verleiht die allerbesten Gaben.
MEPHISTOPHELES (indem er an dem Platz, wo Frosch sitzt, ein Loch in den
Tischrand bohrt):
Verschafft ein wenig Wachs, die Pfropfen gleich zu machen!
ALTMAYER:
Ach, das sind Taschenspielersachen.
MEPHISTOPHELES (zu Brander):
Und Ihr?
BRANDER:
Ich will Champagner Wein Und recht moussierend soll er sein!
(Mephistopheles bohrt; einer hat indessen die Wachspfropfen gemacht
und verstopft. )
Man kann nicht stets das Fremde meiden
Das Gute liegt uns oft so fern.
Ein echter deutscher Mann mag keinen Franzen leiden,
Doch ihre Weine trinkt er gern.
SIEBEL (indem sich Mephistopheles seinem Platze nahert):
Ich muss gestehn, den sauern mag ich nicht,
Gebt mir ein Glas vom echten sussen!
MEPHISTOPHELES (bohrt):
Euch soll sogleich Tokayer fliessen.
ALTMAYER:
Nein, Herren, seht mir ins Gesicht!
Ich seh es ein, ihr habt uns nur zum besten.
MEPHISTOPHELES:
Ei! Ei! Mit solchen edlen Gasten
War es ein bisschen viel gewagt.
Geschwind! Nur grad heraus gesagt!
Mit welchem Weine kann ich dienen?
ALTMAYER:
Mit jedem! Nur nicht lang gefragt.
(Nachdem die Locher alle gebohrt und verstopft sind. )
MEPHISTOPHELES (mit seltsamen Gebarden):
Trauben tragt der Weinstock!
Horner der Ziegenbock;
Der Wein ist saftig, Holz die Reben,
Der holzerne Tisch kann Wein auch geben.
Ein tiefer Blick in die Natur!
Hier ist ein Wunder, glaubet nur! Nun zieht die Pfropfen und geniesst!
ALLE (indem sie die Pfropfen ziehen und jedem der verlangte Wein ins Glas
lauft):
O schoner Brunnen, der uns fliesst!
MEPHISTOPHELES:
Nur hutet euch, dass ihr mir nichts vergiesst!
(Sie trinken wiederholt. )
ALLE (singen):
Uns ist ganz kannibalisch wohl,
Als wie funfhundert Sauen!
MEPHISTOPHELES:
Das Volk ist frei, seht an, wie wohl's ihm geht!
FAUST:
Ich hatte Lust, nun abzufahren.
MEPHISTOPHELES:
Gib nur erst acht, die Bestialitat
Wird sich gar herrlich offenbaren.
SIEBEL (trinkt unvorsichtig, der Wein fliesst auf die Erde und wird zur
Flamme):
Helft! Feuer! helft! Die Holle brennt!
MEPHISTOPHELES (die Flamme besprechend):
Sei ruhig, freundlich Element!
(Zu den Gesellen. )
Fur diesmal war es nur ein Tropfen Fegefeuer.
SIEBEL:
Was soll das sein? Wart! Ihr bezahlt es teuer!
Es scheinet, dass Ihr uns nicht kennt.
FROSCH:
Lass Er uns das zum zweiten Male bleiben!
ALTMAYER:
Ich dacht, wir hiessen ihn ganz sachte seitwarts gehn.
SIEBEL:
Was, Herr? Er will sich unterstehn,
Und hier sein Hokuspokus treiben?
MEPHISTOPHELES:
Still, altes Weinfass!
SIEBEL:
Besenstiel! Du willst uns gar noch grob begegnen?
BRANDER:
Wart nur, es sollen Schlage regnen!
ALTMAYER (zieht einen Pfropf aus dem Tisch, es springt ihm Feuer entgegen):
Ich brenne! ich brenne!
SIEBEL:
Zauberei!
Stosst zu! der Kerl ist vogelfrei!
(Sie ziehen die Messer und gehn auf Mephistopheles los. )
MEPHISTOPHELES (mit ernsthafter Gebarde):
Falsch Gebild und Wort
Verandern Sinn und Ort!
Seid hier und dort!
(Sie stehn erstaunt und sehn einander an. )
ALTMAYER:
Wo bin ich? Welches schone Land!
FROSCH:
Weinberge! Seh ich recht?
SIEBEL:
Und Trauben gleich zur Hand!
BRANDER:
Hier unter diesem grunen Laube,
Seht, welch ein Stock! Seht, welche Traube!
(Er fasst Siebeln bei der Nase. Die andern tun es wechselseitig und heben
die Messer. )
MEPHISTOPHELES (wie oben):
Irrtum, lass los der Augen Band!
Und merkt euch, wie der Teufel spasse.
(Er verschwindet mit Faust, die Gesellen fahren auseinander.
SIEBEL:
Was gibt s?
ALTMAYER:
Wie?
FROSCH:
War das deine Nase?
BRANDER (zu Siebel):
Und deine hab ich in der Hand!
ALTMAYER:
Es war ein Schlag, der ging durch alle Glieder!
Schafft einen Stuhl, ich sinke nieder!
FROSCH:
Nein, sagt mir nur, was ist geschehn?
FROSCH:
Wo ist der Kerl? Wenn ich ihn spure,
Er soll mir nicht lebendig gehn!
ALTMAYER:
Ich hab ihn selbst hinaus zur Kellerture-
Auf einem Fasse reiten sehn--
Es liegt mir bleischwer in den Fussen.
(Sich nach dem Tische wendend. )
Mein! Sollte wohl der Wein noch fliessen?
SIEBEL:
Betrug war alles, Lug und Schein.
FROSCH:
Mir deuchte doch, als trank ich Wein.
BRANDER:
Aber wie war es mit den Trauben?
ALTMAYER:
Nun sag mir eins, man soll kein Wunder glauben!
Hexenkuche.
Auf einem niedrigen Herd steht ein grosser Kessel uber dem Feuer. In dem
Dampfe, der davon in die Hohe steigt, zeigen sich verschiedene Gestalten.
Eine Meerkatze sitzt bei dem Kessel und schaumt ihn und sorgt, dass er nicht
uberlauft. Der Meerkater mit den Jungen sitzt darneben und warmt sich.
Wande und Decke sind mit dem seltsamsten Hexenhausrat geschmuckt.
Faust. Mephistopheles.
FAUST:
Mir widersteht das tolle Zauberwesen!
Versprichst du mir, ich soll genesen
In diesem Wust von Raserei?
Verlang ich Rat von einem alten Weibe?
Und schafft die Sudelkocherei
Wohl dreissig Jahre mir vom Leibe?
Weh mir, wenn du nichts Bessers weisst!
Schon ist die Hoffnung mir verschwunden.
Hat die Natur und hat ein edler Geist
Nicht irgendeinen Balsam ausgefunden?
MEPHISTOPHELES:
Mein Freund, nun sprichst du wieder klug!
Dich zu verjungen, gibt's auch ein naturlich Mittel;
Allein es steht in einem andern Buch,
Und ist ein wunderlich Kapitel.
FAUST:
Ich will es wissen.
MEPHISTOPHELES:
Gut! Ein Mittel, ohne Geld Und Arzt und Zauberei zu haben:
Begib dich gleich hinaus aufs Feld,
Fang an zu hacken und zu graben
Erhalte dich und deinen Sinn
In einem ganz beschrankten Kreise,
Ernahre dich mit ungemischter Speise,
Leb mit dem Vieh als Vieh, und acht es nicht fur Raub,
Den Acker, den du erntest, selbst zu dungen;
Das ist das beste Mittel, glaub,
Auf achtzig Jahr dich zu verjungen!
FAUST:
Das bin ich nicht gewohnt, ich kann mich nicht bequemen,
Den Spaten in die Hand zu nehmen.
Das enge Leben steht mir gar nicht an.
MEPHISTOPHELES:
So muss denn doch die Hexe dran.
FAUST:
Warum denn just das alte Weib!
Kannst du den Trank nicht selber brauen?
MEPHISTOPHELES:
Das war ein schoner Zeitvertreib!
Ich wollt indes wohl tausend Brucken bauen.
Nicht Kunst und Wissenschaft allein,
Geduld will bei dem Werke sein.
Ein stiller Geist ist jahrelang geschaftig,
Die Zeit nur macht die feine Garung kraftig.
Und alles, was dazu gehort,
Es sind gar wunderbare Sachen!
Der Teufel hat sie's zwar gelehrt;
Allein der Teufel kann's nicht machen.
(Die Tiere erblickend. )
Sieh, welch ein zierliches Geschlecht!
Das ist die Magd! das ist der Knecht!
(Zu den Tieren. )
Es scheint, die Frau ist nicht zu Hause?
DIE TIERE:
Beim Schmause,
Aus dem Haus
Zum Schornstein hinaus!
MEPHISTOPHELES:
Wie lange pflegt sie wohl zu schwarmen?
DIE TIERE:
So lange wir uns die Pfoten warmen.
MEPHISTOPHELES. (zu Faust):
Wie findest du die zarten Tiere?
FAUST:
So abgeschmackt, als ich nur jemand sah!
MEPHISTOPHELES:
Nein, ein Discours wie dieser da
Ist grade der, den ich am liebsten fuhre!
(zu den Tieren. )
So sagt mir doch, verfluchte Puppen,
Was quirlt ihr in dem Brei herum?
DIE TIERE:
Wir kochen breite Bettelsuppen.
MEPHISTOPHELES:
Da habt ihr ein gross Publikum.
DER KATER (macht sich herbei und schmeichelt dem Mephistopheles):
O wurfle nur gleich,
Und mache mich reich,
Und lass mich gewinnen!
Gar schlecht ist's bestellt,
Und war ich bei Geld,
So war ich bei Sinnen.
MEPHISTOPHELES:
Wie glucklich wurde sich der Affe schatzen,
Konnt er nur auch ins Lotto setzen!
(Indessen haben die jungen Meerkatzchen mit einer grossen Kugel gespielt und
rollen sie hervor. )
DER KATER:
Das ist die Welt;
Sie steigt und fallt
Und rollt bestandig;
Sie klingt wie Glas-
Wie bald bricht das!
Ist hohl inwendig.
Hier glanzt sie sehr,
Und hier noch mehr:
"Ich bin lebendig! "
Mein lieber Sohn,
Halt dich davon!
Du musst sterben!
Sie ist von Ton,
Es gibt Scherben.
MEPHISTOPHELES:
Was soll das Sieb?
DER KATER (holt es herunter):
Warst du ein Dieb,
Wollt ich dich gleich erkennen.
(Er lauft zur Katzin und lasst sie durchsehen. )
Sieh durch das Sieb!
Erkennst du den Dieb,
Und darfst ihn nicht nennen?
MEPHISTOPHELES (sich dem Feuer nahernd):
Und dieser Topf?
KATER UND KaTZIN:
Der alberne Tropf!
Er kennt nicht den Topf,
Er kennt nicht den Kessel!
MEPHISTOPHELES:
Unhofliches Tier!
DER KATER:
Den Wedel nimm hier,
Und setz dich in Sessel!
(Er notigt den Mephistopheles zu sitzen. )
FAUST (welcher diese Zeit uber vor einem Spiegel gestanden, sich ihm bald
genahert, bald sich von ihm entfernt hat):
Was seh ich? Welch ein himmlisch Bild
Zeigt sich in diesem Zauberspiegel!
O Liebe, leihe mir den schnellsten deiner Flugel,
Und fuhre mich in ihr Gefild!
Ach wenn ich nicht auf dieser Stelle bleibe,
Wenn ich es wage, nah zu gehn,
Kann ich sie nur als wie im Nebel sehn! -
Das schonste Bild von einem Weibe!
Ist's moglich, ist das Weib so schon?
Muss ich an diesem hingestreckten Leibe
Den Inbegriff von allen Himmeln sehn?
So etwas findet sich auf Erden?
MEPHISTOPHELES:
Naturlich, wenn ein Gott sich erst sechs Tage plagt,
Und selbst am Ende Bravo sagt,
Da muss es was Gescheites werden.
Fur diesmal sieh dich immer satt;
Ich weiss dir so ein Schatzchen auszuspuren,
Und selig, wer das gute Schicksal hat,
Als Brautigam sie heim zu fuhren!
(Faust sieht immerfort in den Spiegel. Mephistopheles, sich in dem Sessel
dehnend und mit dem Wedel spielend, fahrt fort zu sprechen. )
Hier sitz ich wie der Konig auf dem Throne,
Den Zepter halt ich hier, es fehlt nur noch die Krone.
DIE TIERE (welche bisher allerlei wunderliche Bewegungen durcheinander
gemacht haben, bringen dem Mephistopheles eine Krone mit grossem Geschrei):
O sei doch so gut,
Mit Schweiss und mit Blut
Die Krone zu leimen!
(Sie gehn ungeschickt mit der Krone um und zerbrechen sie in zwei Stucke,
mit welchen sie herumspringen. )
Nun ist es geschehn!
Wir reden und sehn,
Wir horen und reimen-
FAUST (gegen den Spiegel):
Weh mir! ich werde schier verruckt.
MEPHISTOPHELES (auf die Tiere deutend):
Nun fangt mir an fast selbst der Kopf zu schwanken.
DIE TIERE:
Und wenn es uns gluckt,
Und wenn es sich schickt,
So sind es Gedanken!
FAUST (wie oben):
Mein Busen fangt mir an zu brennen!
Entfernen wir uns nur geschwind!
MEPHISTOPHELES (in obiger Stellung):
Nun, wenigstens muss man bekennen,
Dass es aufrichtige Poeten sind.
(Der Kessel, welchen die Katzin bisher ausser acht gelassen, fangt an
uberzulaufen, es entsteht eine grosse Flamme, welche zum Schornstein hinaus
schlagt. Die Hexe kommt durch die Flamme mit entsetzlichem Geschrei
herunter gefahren. )
DIE HEXE:
Au! Au! Au! Au!
Verdammtes Tier! verfluchte Sau!
Versaumst den Kessel, versengst die Frau!
Verfluchtes Tier!
(Faust und Mephistopheles erblickend. )
Was ist das hier?
Wer seid ihr hier?
Was wollt ihr da?
Wer schlich sich ein?
Die Feuerpein
Euch ins Gebein!
(Sie fahrt mit dem Schaumloffel in den Kessel und spritzt Flammen nach
Faust, Mephistopheles und den Tieren. Die Tiere winseln. )
MEPHISTOPHELES (welcher den Wedel, den er in der Hand halt, umkehrt und
unter die Glaser und Topfe schlagt):
Entzwei! entzwei!
Da liegt der Brei!
Da liegt das Glas!
Es ist nur Spass,
Der Takt, du Aas,
Zu deiner Melodei.
