FAUST:
Wie von dem Fenster dort der Sakristei
Aufwarts der Schein des Ew'gen Lampchens flammert
Und schwach und schwacher seitwarts dammert,
Und Finsternis drangt ringsum bei!
Wie von dem Fenster dort der Sakristei
Aufwarts der Schein des Ew'gen Lampchens flammert
Und schwach und schwacher seitwarts dammert,
Und Finsternis drangt ringsum bei!
Goethe - Faust- Der Tragödie erster Teil
"Wenn ich ein Voglein war! " so geht ihr Gesang
Tage lang, halbe Nachte lang.
Einmal ist sie munter, meist betrubt,
Einmal recht ausgeweint,
Dann wieder ruhig, wie's scheint,
Und immer verliebt.
FAUST:
Schlange! Schlange!
MEPHISTOPHELES (fur sich):
Gelt! dass ich dich fange!
FAUST:
Verruchter! hebe dich von hinnen,
Und nenne nicht das schone Weib!
Bring die Begier zu ihrem sussen Leib
Nicht wieder vor die halb verruckten Sinnen!
MEPHISTOPHELES:
Was soll es denn? Sie meint, du seist entflohn,
Und halb und halb bist du es schon.
FAUST:
Ich bin ihr nah, und war ich noch so fern,
Ich kann sie nie vergessen, nie verlieren
Ja, ich beneide schon den Leib des Herrn,
Wenn ihre Lippen ihn indes beruhren.
MEPHISTOPHELES:
Gar wohl, mein Freund! Ich hab Euch oft beneidet
Ums Zwillingspaar, das unter Rosen weidet.
FAUST:
Entfliehe, Kuppler!
MEPHISTOPHELES:
Schon! Ihr schimpft, und ich muss lachen. Der Gott, der Bub' und Madchen
schuf,
Erkannte gleich den edelsten Beruf,
Auch selbst Gelegenheit zu machen.
Nur fort, es ist ein grosser Jammer!
Ihr sollt in Eures Liebchens Kammer,
Nicht etwa in den Tod.
FAUST:
Was ist die Himmelsfreud in ihren Armen?
Lass mich an ihrer Brust erwarmen!
Fuhl ich nicht immer ihre Not?
Bin ich der Fluchtling nicht? der Unbehauste?
Der Unmensch ohne Zweck und Ruh,
Der wie ein Wassersturz von Fels zu Felsen brauste,
Begierig wutend nach dem Abgrund zu?
Und seitwarts sie, mit kindlich dumpfen Sinnen,
Im Huttchen auf dem kleinen Alpenfeld,
Und all ihr hausliches Beginnen
Umfangen in der kleinen Welt.
Und ich, der Gottverhasste,
Hatte nicht genug,
Dass ich die Felsen fasste
Und sie zu Trummern schlug!
Sie, ihren Frieden musst ich untergraben!
Du, Holle, musstest dieses Opfer haben.
Hilf, Teufel, mir die Zeit der Angst verkurzen.
Was muss geschehn, mag's gleich geschehn!
Mag ihr Geschick auf mich zusammensturzen
Und sie mit mir zugrunde gehn!
MEPHISTOPHELES:
Wie's wieder siedet, wieder gluht!
Geh ein und troste sie, du Tor!
Wo so ein Kopfchen keinen Ausgang sieht,
Stellt er sich gleich das Ende vor.
Es lebe, wer sich tapfer halt!
Du bist doch sonst so ziemlich eingeteufelt.
Nichts Abgeschmackters find ich auf der Welt
Als einen Teufel, der verzweifelt.
Gretchens Stube.
Gretchen (am Spinnrad, allein).
GRETCHEN:
Meine Ruh ist hin,
Mein Herz ist schwer;
Ich finde sie nimmer
und nimmermehr.
Wo ich ihn nicht hab,
Ist mir das Grab,
Die ganze Welt
Ist mir vergallt.
Mein armer Kopf
Ist mir verruckt,
Meiner armer Sinn
Ist mir zerstuckt.
Meine Ruh ist hin,
Mein Herz ist schwer,
Ich finde sie nimmer
und nimmermehr.
Nach ihm nur schau ich
Zum Fenster hinaus,
Nach ihm nur geh ich
Aus dem Haus.
Sein hoher Gang,
Sein edle Gestalt,
Seines Mundes Lacheln,
Seiner Augen Gewalt,
Und seiner Rede
Zauberfluss,
Sein Handedruck,
Und ach! sein Kuss!
Meine Ruh ist hin,
Mein Herz ist schwer,
Ich finde sie nimmer
und nimmermehr.
Mein Busen drangt
Sich nach ihm hin,
Ach durft ich fassen
Und halten ihn,
Und kussen ihn,
So wie ich wollt,
An seinen Kussen
Vergehen sollt!
Marthens Garten
Margarete. Faust.
MARGARETE:
Versprich mir, Heinrich!
FAUST:
Was ich kann!
MARGARETE:
Nun sag, wie hast du's mit der Religion?
Du bist ein herzlich guter Mann,
Allein ich glaub, du haltst nicht viel davon.
FAUST:
Lass das, mein Kind! Du fuhlst, ich bin dir gut;
Fur meine Lieben liess' ich Leib und Blut,
Will niemand sein Gefuhl und seine Kirche rauben.
MARGARETE:
Das ist nicht recht, man muss dran glauben.
FAUST:
Muss man?
MARGARETE:
Ach! wenn ich etwas auf dich konnte! Du ehrst auch nicht die heil'gen
Sakramente.
FAUST:
Ich ehre sie.
MARGARETE:
Doch ohne Verlangen. Zur Messe, zur Beichte bist du lange nicht gegangen.
Glaubst du an Gott?
FAUST:
Mein Liebchen, wer darf sagen: Ich glaub an Gott?
Magst Priester oder Weise fragen,
Und ihre Antwort scheint nur Spott
Uber den Frager zu sein.
MARGARETE:
So glaubst du nicht?
FAUST:
Misshor mich nicht, du holdes Angesicht!
Wer darf ihn nennen?
Und wer bekennen:
"Ich glaub ihn! "?
Wer empfinden,
Und sich unterwinden
Zu sagen: "Ich glaub ihn nicht! "?
Der Allumfasser,
Der Allerhalter,
Fasst und erhalt er nicht
Dich, mich, sich selbst?
Wolbt sich der Himmel nicht da droben?
Liegt die Erde nicht hier unten fest?
Und steigen freundlich blickend
Ewige Sterne nicht herauf?
Schau ich nicht Aug in Auge dir,
Und drangt nicht alles
Nach Haupt und Herzen dir,
Und webt in ewigem Geheimnis
Unsichtbar sichtbar neben dir?
Erfull davon dein Herz, so gross es ist,
Und wenn du ganz in dem Gefuhle selig bist,
Nenn es dann, wie du willst,
Nenn's Gluck! Herz! Liebe! Gott
Ich habe keinen Namen
Dafur! Gefuhl ist alles;
Name ist Schall und Rauch,
Umnebelnd Himmelsglut.
MARGARETE:
Das ist alles recht schon und gut;
Ungefahr sagt das der Pfarrer auch,
Nur mit ein bisschen andern Worten.
FAUST:
Es sagen's allerorten
Alle Herzen unter dem himmlischen Tage,
Jedes in seiner Sprache;
Warum nicht ich in der meinen?
MARGARETE:
Wenn man's so hort, mocht's leidlich scheinen,
Steht aber doch immer schief darum;
Denn du hast kein Christentum.
FAUST:
Liebs Kind!
MARGARETE:
Es tut mir lange schon weh, Dass ich dich in der Gesellschaft seh.
FAUST:
Wieso?
MARGARETE:
Der Mensch, den du da bei dir hast, Ist mir in tiefer innrer Seele verhasst;
Es hat mir in meinem Leben
So nichts einen Stich ins Herz gegeben
Als des Menschen widrig Gesicht.
FAUST:
Liebe Puppe, furcht ihn nicht!
MARGARETE:
Seine Gegenwart bewegt mir das Blut.
Ich bin sonst allen Menschen gut;
Aber wie ich mich sehne, dich zu schauen,
Hab ich vor dem Menschen ein heimlich Grauen,
Und halt ihn fur einen Schelm dazu!
Gott verzeih mir's, wenn ich ihm unrecht tu!
FAUST:
Es muss auch solche Kauze geben.
MARGARETE:
Wollte nicht mit seinesgleichen leben!
Kommt er einmal zur Tur herein,
Sieht er immer so spottisch drein
Und halb ergrimmt;
Man sieht, dass er an nichts keinen Anteil nimmt;
Es steht ihm an der Stirn geschrieben,
Dass er nicht mag eine Seele lieben.
Mir wird's so wohl in deinem Arm,
So frei, so hingegeben warm,
Und seine Gegenwart schnurt mir das Innre zu.
FAUST:
Du ahnungsvoller Engel du!
MARGARETE:
Das ubermannt mich so sehr,
Dass, wo er nur mag zu uns treten,
Mein ich sogar, ich liebte dich nicht mehr.
Auch, wenn er da ist, konnt ich nimmer beten,
Und das frisst mir ins Herz hinein;
Dir, Heinrich, muss es auch so sein.
FAUST:
Du hast nun die Antipathie!
MARGARETE:
Ich muss nun fort.
FAUST:
Ach kann ich nie Ein Stundchen ruhig dir am Busen hangen
Und Brust an Brust und Seel in Seele drangen?
MARGARETE:
Ach wenn ich nur alleine schlief!
Ich liess dir gern heut nacht den Riegel offen;
Doch meine Mutter schlaft nicht tief,
Und wurden wir von ihr betroffen,
Ich war gleich auf der Stelle tot!
FAUST:
Du Engel, das hat keine Not.
Hier ist ein Flaschchen!
Drei Tropfen nur In ihren Trank umhullen
Mit tiefem Schlaf gefallig die Natur.
MARGARETE:
Was tu ich nicht um deinetwillen?
Es wird ihr hoffentlich nicht schaden!
FAUST:
Wurd ich sonst, Liebchen, dir es raten?
MARGARETE:
Seh ich dich, bester Mann, nur an,
Weiss nicht, was mich nach deinem Willen treibt,
Ich habe schon so viel fur dich getan,
Dass mir zu tun fast nichts mehr ubrigbleibt.
(Ab. )
(Mephistopheles tritt auf. )
MEPHISTOPHELES:
Der Grasaff! ist er weg?
FAUST:
Hast wieder spioniert?
MEPHISTOPHELES:
Ich hab's ausfuhrlich wohl vernommen,
Herr Doktor wurden da katechisiert;
Hoff, es soll Ihnen wohl bekommen.
Die Madels sind doch sehr interessiert,
Ob einer fromm und schlicht nach altem Brauch.
Sie denken: duckt er da, folgt er uns eben auch.
FAUST:
Du Ungeheuer siehst nicht ein,
Wie diese treue liebe Seele
Von ihrem Glauben voll,
Der ganz allein
Ihr seligmachend ist, sich heilig quale,
Dass sie den liebsten Mann verloren halten soll.
MEPHISTOPHELES:
Du ubersinnlicher sinnlicher Freier,
Ein Magdelein nasfuhret dich.
FAUST:
Du Spottgeburt von Dreck und Feuer!
MEPHISTOPHELES:
Und die Physiognomie versteht sie meisterlich:
In meiner Gegenwart wird's ihr, sie weiss nicht wie,
Mein Maskchen da weissagt verborgnen Sinn;
Sie fuhlt, dass ich ganz sicher ein Genie,
Vielleicht wohl gar der Teufel bin.
Nun, heute nacht-?
FAUST:
Was geht dich's an?
MEPHISTOPHELES:
Hab ich doch meine Freude dran!
Am Brunnen
Gretchen und Lieschen mit Krugen.
LIESCHEN:
Hast nichts von Barbelchen gehort?
GRETCHEN:
Kein Wort. Ich komm gar wenig unter Leute.
LIESCHEN:
Gewiss, Sibylle sagt' mir's heute:
Die hat sich endlich auch betort.
Das ist das Vornehmtun!
GRETCHEN:
Wieso?
LIESCHEN:
Es stinkt! Sie futtert zwei, wenn sie nun isst und trinkt.
GRETCHEN:
Ach!
LIESCHEN:
So ist's ihr endlich recht ergangen.
Wie lange hat sie an dem Kerl gehangen!
Das war ein Spazieren,
Auf Dorf und Tanzplatz Fuhren,
Musst uberall die Erste sein,
Kurtesiert ihr immer mit Pastetchen und Wein;
Bildt sich was auf ihre Schonheit ein,
War doch so ehrlos, sich nicht zu schamen,
Geschenke von ihm anzunehmen.
War ein Gekos und ein Geschleck;
Da ist denn auch das Blumchen weg!
GRETCHEN:
Das arme Ding!
LIESCHEN:
Bedauerst sie noch gar! Wenn unsereins am Spinnen war,
Uns nachts die Mutter nicht hinunterliess,
Stand sie bei ihrem Buhlen suss;
Auf der Turbank und im dunkeln Gang
Ward ihnen keine Stunde zu lang.
Da mag sie denn sich ducken nun,
Im Sunderhemdchen Kirchbuss tun!
GRETCHEN:
Er nimmt sie gewiss zu seiner Frau.
LIESCHEN:
Er war ein Narr! Ein flinker Jung
Hat anderwarts noch Luft genung.
Er ist auch fort.
GRETCHEN:
Das ist nicht schon!
LIESCHEN:
Kriegt sie ihn, soll's ihr ubel gehn,
Das Kranzel reissen die Buben ihr,
Und Hackerling streuen wir vor die Tur!
(Ab. )
GRETCHEN: (nach Hause gehend):
Wie konnt ich sonst so tapfer schmalen,
Wenn tat ein armes Magdlein fehlen!
Wie konnt ich uber andrer Sunden
Nicht Worte gnug der Zunge finden!
Wie schien mir's schwarz, und schwarzt's noch gar,
Mir's immer doch nicht schwarz gnug war,
Und segnet mich und tat so gross,
Und bin nun selbst der Sunde bloss!
Doch- alles, was dazu mich trieb,
Gott! war so gut! ach, war so lieb!
Zwinger
In der Mauerhohle ein Andachtsbild der Mater dolorosa, Blumenkruge davor.
Gretchen steckt frische Blumen in die Kruge.
Ach neige,
Du Schmerzenreiche,
Dein Antlitz gnadig meiner Not!
Das Schwert im Herzen,
Mit tausend Schmerzen
Blickst auf zu deines Sohnes Tod.
Zum Vater blickst du,
Und Seufzer schickst du
Hinauf um sein' und deine Not.
Wer fuhlet,
Wie wuhlet
Der Schmerz mir im Gebein?
Was mein armes Herz hier banget,
Was es zittert, was verlanget,
Weisst nur du, nur du allein!
Wohin ich immer gehe
Wie weh, wie weh, wie wehe
Wird mir im Busen hier!
Ich bin, ach! kaum alleine,
Ich wein, ich wein, ich weine,
Das Herz zerbricht in mir.
Die Scherben vor meinem Fenster
Betaut ich mit Tranen, ach!
Als ich am fruhen Morgen
Dir diese Blumen brach.
Schien hell in meine Kammer
Die Sonne fruh herauf,
Sass ich in allem Jammer
In meinem Bett schon auf.
Hilf! rette mich von Schmach und Tod!
Ach neige,
Du Schmerzenreiche,
Dein Antlitz gnadig meiner Not!
Nacht. Strasse vor Gretchens Ture
Valentin, Soldat, Gretchens Bruder.
Wenn ich so sass bei einem Gelag,
Wo mancher sich beruhmen mag,
Und die Gesellen mir den Flor
Der Magdlein laut gepriesen vor,
Mit vollem Glas das Lob verschwemmt,
Den Ellenbogen aufgestemmt,
Sass ich in meiner sichern Ruh,
Hort all dem Schwadronieren zu
Und streiche lachelnd meinen Bart
Und kriege das volle Glas zur Hand
Und sage: "Alles nach seiner Art!
Aber ist eine im ganzen Land,
Die meiner trauten Gretel gleicht,
Die meiner Schwester das Wasser reicht? "
Topp! Topp! Kling! Klang! das ging herum;
Die einen schrieen: "Er hat recht,
Sie ist die Zier vom ganzen Geschlecht. "
Da sassen alle die Lober stumm.
Und nun! - um's Haar sich auszuraufen
Und an den Wanden hinaufzulaufen! -
Mit Stichelreden, Naserumpfen
Soll jeder Schurke mich beschimpfen!
Soll wie ein boser Schuldner sitzen
Bei jedem Zufallswortchen schwitzen!
Und mocht ich sie zusammenschmeissen
Konnt ich sie doch nicht Lugner heissen.
Was kommt heran? Was schleicht herbei?
Irr ich nicht, es sind ihrer zwei.
Ist er's, gleich pack ich ihn beim Felle
Soll nicht lebendig von der Stelle!
Faust. Mephistopheles.
FAUST:
Wie von dem Fenster dort der Sakristei
Aufwarts der Schein des Ew'gen Lampchens flammert
Und schwach und schwacher seitwarts dammert,
Und Finsternis drangt ringsum bei!
So sieht's in meinem Busen nachtig.
MEPHISTOPHELES:
Und mir ist's wie dem Katzlein schmachtig,
Das an den Feuerleitern schleicht,
Sich leis dann um die Mauern streicht;
Mir ist's ganz tugendlich dabei,
Ein bisschen Diebsgelust, ein bisschen Rammelei.
So spukt mir schon durch alle Glieder
Die herrliche Walpurgisnacht.
Die kommt uns ubermorgen wieder,
Da weiss man doch, warum man wacht.
FAUST:
Ruckt wohl der Schatz indessen in die Hoh,
Den ich dort hinten flimmern seh?
MEPHISTOPHELES:
Du kannst die Freude bald erleben,
Das Kesselchen herauszuheben.
Ich schielte neulich so hinein,
Sind herrliche Lowentaler drein.
FAUST:
Nicht ein Geschmeide, nicht ein Ring,
Meine liebe Buhle damit zu zieren?
MEPHISTOPHELES:
Ich sah dabei wohl so ein Ding,
Als wie eine Art von Perlenschnuren.
FAUST:
So ist es recht! Mir tut es weh,
Wenn ich ohne Geschenke zu ihr geh.
MEPHISTOPHELES:
Es sollt Euch eben nicht verdriessen,
Umsonst auch etwas zu geniessen.
Jetzt, da der Himmel voller Sterne gluht,
Sollt Ihr ein wahres Kunststuck horen:
Ich sing ihr ein moralisch Lied,
Um sie gewisser zu betoren. (Singt zur Zither. ) Was machst du mir
Vor Liebchens Tur,
Kathrinchen, hier
Bei fruhem Tagesblicke?
Lass, lass es sein!
Er lasst dich ein
Als Madchen ein,
Als Madchen nicht zurucke.
Nehmt euch in acht!
Ist es vollbracht,
Dann gute Nacht'
Ihr armen, armen Dinger!
Habt ihr euch lieb,
Tut keinem Dieb
Nur nichts zulieb
Als mit dem Ring am Finger.
VALENTIN (tritt vor):
Wen lockst du hier? beim Element!
Vermaledeiter Rattenfanger!
Zum Teufel erst das Instrument!
Zum Teufel hinterdrein den Sanger!
MEPHISTOPHELES:
Die Zither ist entzwei! an der ist nichts zu halten.
VALENTIN:
Nun soll es an ein Schadelspalten!
MEPHISTOPHELES (zu Faust):
Herr Doktor, nicht gewichen! Frisch!
Hart an mich an, wie ich Euch fuhre.
Heraus mit Eurem Flederwisch!
Nur zugestossen! ich pariere.
VALENTIN:
Pariere den!
MEPHISTOPHELES:
Warum denn nicht?
VALENTIN:
Auch den!
MEPHISTOPHELES:
Gewiss!
VALENTIN:
Ich glaub, der Teufel ficht! Was ist denn das? Schon wird die Hand mir
lahm.
MEPHISTOPHELES (zu Faust):
Stoss zu!
VALENTIN (fallt):
O weh!
MEPHISTOPHELES:
Nun ist der Lummel zahm! Nun aber fort! Wir mussen gleich verschwinden
Denn schon entsteht ein morderlich Geschrei.
Ich weiss mich trefflich mit der Polizei,
Doch mit dem Blutbann schlecht mich abzufinden.
MARTHE (am Fenster):
Heraus! Heraus!
GRETCHEN (am Fenster):
Herbei ein Licht!
MARTHE (wie oben):
Man schilt und rauft, man schreit und ficht.
VOLK:
Da liegt schon einer tot!
MARTHE (heraustretend):
Die Morder, sind sie denn entflohn?
GRETCHEN (heraustretend):
Wer liegt hier?
VOLK:
Deiner Mutter Sohn.
GRETCHEN:
Allmachtiger! welche Not!
VALENTIN:
Ich sterbe! das ist bald gesagt
Und balder noch getan.
Was steht ihr Weiber, heult und klagt?
Kommt her und hort mich an!
(Alle treten um ihn. )
Mein Gretchen, sieh! du bist noch jung,
Bist gar noch nicht gescheit genung,
Machst deine Sachen schlecht.
Ich sag dir's im Vertrauen nur:
Du bist doch nun einmal eine Hur,
So sei's auch eben recht!
GRETCHEN:
Mein Bruder! Gott! Was soll mir das?
VALENTIN:
Lass unsern Herrgott aus dem Spass!
Geschehn ist leider nun geschehn
Und wie es gehn kann, so wird's gehn.
Du fingst mit einem heimlich an
Bald kommen ihrer mehre dran,
Und wenn dich erst ein Dutzend hat,
So hat dich auch die ganze Stadt.
Wenn erst die Schande wird geboren,
Wird sie heimlich zur Welt gebracht,
Und man zieht den Schleier der Nacht
Ihr uber Kopf und Ohren;
Ja, man mochte sie gern ermorden.
Wachst sie aber und macht sich gross,
Dann geht sie auch bei Tage bloss
Und ist doch nicht schoner geworden.
Je hasslicher wird ihr Gesicht,
Je mehr sucht sie des Tages Licht.
Ich seh wahrhaftig schon die Zeit,
Dass alle brave Burgersleut,
Wie von einer angesteckten Leichen,
Von dir, du Metze! seitab weichen.
Dir soll das Herz im Leib verzagen,
Wenn sie dir in die Augen sehn!
Sollst keine goldne Kette mehr tragen!
In der Kirche nicht mehr am Altar stehn!
In einem schonen Spitzenkragen
Dich nicht beim Tanze wohlbehagen!
In eine finstre Jammerecken
Unter Bettler und Kruppel dich verstecken,
Und, wenn dir dann auch Gott verzeiht,
Auf Erden sein vermaledeit!
MARTHE:
Befehlt Eure Seele Gott zu Gnaden!
Wollt Ihr noch Lastrung auf Euch laden?
VALENTIN:
Konnt ich dir nur an den durren Leib,
Du schandlich kupplerisches Weib!
Da hofft ich aller meiner Sunden
Vergebung reiche Mass zu finden.
GRETCHEN:
Mein Bruder! Welche Hollenpein!
VALENTIN:
Ich sage, lass die Tranen sein!
Da du dich sprachst der Ehre los,
Gabst mir den schwersten Herzensstoss.
Ich gehe durch den Todesschlaf
Zu Gott ein als Soldat und brav.
(Stirbt. )
Dom
Amt, Orgel und Gesang. Gretchen unter vielem Volke. Boser Geist hinter
Gretchen.
BOSER GEIST:
Wie anders, Gretchen, war dir's,
Als du noch voll Unschuld
Hier zum Altar tratst
Aus dem vergriffnen Buchelchen
Gebete lalltest,
Halb Kinderspiele,
Halb Gott im Herzen!
Gretchen!
Wo steht dein Kopf?
In deinem Herzen
Welche Missetat?
Betst du fur deiner Mutter Seele, die
Durch dich zur langen, langen Pein hinuberschlief?
Auf deiner Schwelle wessen Blut?
- Und unter deinem Herzen
Regt sich's nicht quillend schon
Und angstet dich und sich
Mit ahnungsvoller Gegenwart?
GRETCHEN:
Weh! Weh!
War ich der Gedanken los,
Die mir heruber und hinuber gehen
Wider mich!
CHOR:
Dies irae, dies illa
Solvet saeclum in favilla.
(Orgelton. )
BOSER GEIST:
Grimm fasst dich!
Die Posaune tont!
Die Graber beben!
Und dein Herz,
Aus Aschenruh
Zu Flammenqualen
Wieder aufgeschaffen,
Bebt auf!
GRETCHEN:
War ich hier weg!
Mir ist, als ob die Orgel mir
Den Atem versetzte,
Gesang mein Herz
Im Tiefsten loste.
CHOR:
Judex ergo cum sedebit,
Quidquid latet adparebit,
Nil inultum remanebit.
GRETCHEN:
Mir wird so eng!
Die Mauernpfeiler
Befangen mich!
Das Gewolbe
Drangt mich! - Luft!
BOSER GEIST:
Verbirg dich! Sund und Schande
Bleibt nicht verborgen.
Luft? Licht?
Weh dir!
CHOR:
Quid sum miser tunc dicturus?
Quem patronum rogaturus?
Cum vix justus sit securus.
BOSER GEIST:
Ihr Antlitz wenden
Verklarte von dir ab.
Die Hande dir zu reichen,
Schauert's den Reinen.
Weh!
CHOR:
Quid sum miser tunc dicturus?
GRETCHEN:
Nachbarin! Euer Flaschchen!
(Sie fallt in Ohnmacht. )
Walpurgisnacht
Harzgebirg Gegend von Schierke und Elend
Faust. Mephistopheles.
MEPHISTOPHELES:
Verlangst du nicht nach einem Besenstiele?
Ich wunschte mir den allerderbsten Bock.
Auf diesem Weg sind wir noch weit vom Ziele.
FAUST:
Solang ich mich noch frisch auf meinen Beinen fuhle,
Genugt mir dieser Knotenstock.
Was hilft's, dass man den Weg verkurzt! -
Im Labyrinth der Taler hinzuschleichen,
Dann diesen Felsen zu ersteigen,
Von dem der Quell sich ewig sprudelnd sturzt,
Das ist die Lust, die solche Pfade wurzt!
Der Fruhling webt schon in den Birken,
Und selbst die Fichte fuhlt ihn schon;
Sollt er nicht auch auf unsre Glieder wirken?
MEPHISTOPHELES:
Furwahr, ich spure nichts davon!
Mir ist es winterlich im Leibe,
Ich wunschte Schnee und Frost auf meiner Bahn.
Wie traurig steigt die unvollkommne Scheibe
Des roten Monds mit spater Glut heran
Und leuchtet schlecht, dass man bei jedem Schritte
Vor einen Baum, vor einen Felsen rennt!
Erlaub, dass ich ein Irrlicht bitte!
Dort seh ich eins, das eben lustig brennt.
Heda! mein Freund! darf ich dich zu uns fodern?
Was willst du so vergebens lodern?
Sei doch so gut und leucht uns da hinauf!
IRRLICHT:
Aus Ehrfurcht, hoff ich, soll es mir gelingen,
Mein leichtes Naturell zu zwingen;
Nur zickzack geht gewohnlich unser Lauf.
MEPHISTOPHELES:
Ei! Ei! Er denkt's den Menschen nachzuahmen.
Geh Er nur grad, in 's Teufels Namen!
Sonst blas ich ihm sein Flackerleben aus.
IRRLICHT:
Ich merke wohl, Ihr seid der Herr vom Haus,
Und will mich gern nach Euch bequemen.
Allein bedenkt! der Berg ist heute zaubertoll
Und wenn ein Irrlicht Euch die Wege weisen soll
So musst Ihr's so genau nicht nehmen.
FAUST, MEPHISTOPHELES, IRRLICHT (im Wechselgesang):
In die Traum- und Zaubersphare
Sind wir, scheint es, eingegangen.
Fuhr uns gut und mach dir Ehre
Dass wir vorwarts bald gelangen
In den weiten, oden Raumen!
Seh die Baume hinter Baumen,
Wie sie schnell voruberrucken,
Und die Klippen, die sich bucken,
Und die langen Felsennasen,
Wie sie schnarchen, wie sie blasen!
Durch die Steine, durch den Rasen
Eilet Bach und Bachlein nieder.
Hor ich Rauschen? hor ich Lieder?
Hor ich holde Liebesklage,
Stimmen jener Himmelstage?
Was wir hoffen, was wir lieben!
Und das Echo, wie die Sage
Alter Zeiten, hallet wider.
"Uhu! Schuhu! " tont es naher,
Kauz und Kiebitz und der Haher,
Sind sie alle wach geblieben?
Sind das Molche durchs Gestrauche?
Lange Beine, dicke Bauche!
Und die Wurzeln, wie die Schlangen,
Winden sich aus Fels und Sande,
Strecken wunderliche Bande,
Uns zu schrecken, uns zu fangen;
Aus belebten derben Masern
Strecken sie Polypenfasern
Nach dem Wandrer. Und die Mause
Tausendfarbig, scharenweise,
Durch das Moos und durch die Heide!
Und die Funkenwurmer fliegen
Mit gedrangten Schwarmezugen
Zum verwirrenden Geleite.
Aber sag mir, ob wir stehen
Oder ob wir weitergehen?
Alles, alles scheint zu drehen,
Fels und Baume, die Gesichter
Schneiden, und die irren Lichter,
Die sich mehren, die sich blahen.
MEPHISTOPHELES:
Fasse wacker meinen Zipfel!
Hier ist so ein Mittelgipfel
Wo man mit Erstaunen sieht,
Wie im Berg der Mammon gluht.
FAUST:
Wie seltsam glimmert durch die Grunde
Ein morgenrotlich truber Schein!
Und selbst bis in die tiefen Schlunde
Des Abgrunds wittert er hinein.
Da steigt ein Dampf, dort ziehen Schwaden,
Hier leuchtet Glut aus Dunst und Flor
Dann schleicht sie wie ein zarter Faden
Dann bricht sie wie ein Quell hervor.
Hier schlingt sie eine ganze Strecke
Mit hundert Adern sich durchs Tal,
Und hier in der gedrangten Ecke
Vereinzelt sie sich auf einmal.
Da spruhen Funken in der Nahe
Wie ausgestreuter goldner Sand.
Doch schau! in ihrer ganzen Hohe
Entzundet sich die Felsenwand.
MEPHISTOPHELES:
Erleuchtet nicht zu diesem Feste
Herr Mammon prachtig den Palast?
Ein Gluck, dass du's gesehen hast,
Ich spure schon die ungestumen Gaste.
FAUST:
Wie rast die Windsbraut durch die Luft!
Mit welchen Schlagen trifft sie meinen Nacken!
MEPHISTOPHELES:
Du musst des Felsens alte Rippen packen
Sonst sturzt sie dich hinab in dieser Schlunde Gruft.
Ein Nebel verdichtet die Nacht.
Hore, wie's durch die Walder kracht!
Aufgescheucht fliegen die Eulen.
Hor, es splittern die Saulen
Ewig gruner Palaste.
Girren und Brechen der Aste!
Der Stamme machtiges Drohnen!
Der Wurzeln Knarren und Gahnen!
